Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
mein Präsident Thanksgiving immer ein Truthahn begnadigt.«
»Ja«, ruft Gudrun begeistert. »Gnade für die Gans! Ich liebe dich, David!«
»Ich hab da eine Idee, Nellchen«, sagt Perings. »Was hältst du davon, wenn ich dir einen Ganter schenke? Für eine eigene kleine Zucht? Und für Weihnachten kaufen wir eine ganz fremde Gans, eine, die hier keiner kennt, eine aus Polen.«
Wortlos schreitet Gudrun zum Getränkekühlschrank, zieht eine Flasche Sekt heraus und stellt sie auf die Anrichte.
»Das muss gefeiert werden«, frohlockt sie, als wir plötzlich eine fremde Stimme im Flur hören: »Hallo? Ist hier jemand?«
»Ich geh schon«, sage ich zu den anderen.
Im Flur stehe ich einem fremden alten Mann gegenüber. Er ist klein, verhutzelt und so formell gekleidet wie die meisten Eifeler Landwirte zum Kirchgang. In der Hand hält er ein paar Chrysanthemenstängel. Seine braunen Augen leuchten.
»Pardon«, sagt er mit dem unverkennbaren Akzent der deutschsprachigen Belgier. »Sind Sie Frau Klein?«
Ich nicke.
»Tochter von Anna Klein und von Karl Christensen?«
Die bin ich. Aber als solche noch nie angesprochen worden. Meine Knie werden weich. Ich würde mich gern setzen.
»Und wer sind Sie?« Entsetzt bemerke ich, dass meine Stimme zu einem heiseren Flüsterton herabgesunken ist.
»Backes. Josef Backes.«
Ein Name, den ich irgendwann schon mal gehört habe.
»Kenne ich Sie?«
»Nein, nein. Ich komme nicht wegen Ihnen. Aber ich habe Ihre Eltern gekannt, den Karl und die Anna. Und gehört, dass Fräulein Henkes, ich meine Frau Schröder, jetzt bei Ihnen ist. Stimmt das?«
Ich brauche nicht zu antworten. Petronella Schröder, geborene Henkes, steht bereits neben mir. Sie wird bleich und fasst sich ans Herz.
»Jupp!«, keucht sie. »Was machst du denn hier!«
Auch Jakob Perings eilt herbei. Feindselig starrt er Herrn Backes an.
»Grenz-Echo« , sagt der dumpf. »Ich habe alles gelesen, Petronella. Und im Radio gehört. Das von dem Briefträger damals. Der …« Er wirft Perings einen ungehaltenen Blick zu. »… hier an einem so wichtigen Tag ermordet wurde. Deshalb also …«
»Zapperloot noch mal, ist das der Grund, weswegen du zurückgekommen bist, Jupp?«, fährt ihn Perings an. »Ist dir jetzt erst in den Kopf gekommen, dass Nellchen sich an eure Abmachung von damals gehalten haben könnte? Diese herzensgute Frau ist wirklich zu schade für dich. Auf dein ganzes Geld und deine Frauengeschichten hast du dir ja immer schon was eingebildet, aber wieso hast du deine ganze Zukunft von einer goldenen Kette abhängig gemacht? Für die mein Bruder vielleicht sterben musste?«
»Jakob Perings?«, fragt Backes unsicher.
»Wie er leibt und lebt.« Perings legt schützend seinen Arm um die zitternde Frau Schröder. … und liebt, setze ich für mich hinzu.
Aus ganz tiefer Brust entlässt Backes einen Seufzer. Keiner sagt mehr etwas. Petronella Schröder hält Jakobs Hand fest. Farbe ist wieder in ihr Gesicht zurückgekehrt. Ihre Augen blicken traurig, aber um ihren Mund spielt so etwas wie ein triumphierendes Lächeln.
»Wir haben heute leider geschlossen«, melde ich mich, als sich die drei alten Eifeler nach langer Zeit immer noch schweigend beäugen.
Backes starrt weiter von Petronella Schröder zu Jakob Perings und wieder zurück. Sagt schließlich: »Also war alles umsonst. Die weite Reise. Die Blumen.« Er drückt mir die Chrysanthemen in die Hand. »Ich wusste, dass auf dich kein Verlass ist, Petronella, das mit uns hätte nie geklappt.«
Und dann ist er genauso schnell verschwunden, wie er gekommen ist. Vor der Tür heult ein Motor auf.
»Nein«, flüstert Frau Schröder. »Hätte es nie.«
Jetzt hat sie tatsächlich Tränen in den Augen. Es dauert sehr lange, ehe sie ihren Blick von der geschlossenen Tür nehmen kann.
»Was war das denn?«, fragt Gudrun, als wir in die Küche zurückgekehrt sind.
»Nichts«, sage ich. »Da hat sich nur jemand verirrt.«
»Mit Beerdigungsblumen.« Gudrun nimmt mir den Strauß ab. »Bestimmt wegen Regine. Sehr nett.«
»Ihr seht aus, als ob Euch ein Gespenst begegnet ist«, sagt Jupp zu Frau Schröder.
Die nickt nur, zieht Papier von der Küchenrolle und schnäuzt sich ordentlich.
»Armer Mann«, bemerkt sie dann sehr gefasst.
»Nicht übertreiben«, mahnt Jakob Perings.
»Welcher arme Mann?«, will Gudrun wissen.
»Der, den ich mal heiraten wollte«, schluchzt Petronella Schröder, und dann bricht die ganze Geschichte aus ihr heraus. Gudrun schenkt
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