Knochen-Poker
Wenn ich nicht auswich, hatte es mich in wenigen Sekunden erreicht und aufgespießt. Ich hielt die Lampe eingeschaltet in der Hand und folgte dem tanzenden Strahl. Er huschte nicht nur über den Boden, traf auch ein Ziel, und zwar an der zweiten Hallenwand ein Hochregal-Lager, in dem zahlreiche Paletten standen. Manche waren beladen, andere wiederum leer. Ein hoher Schrei zitterte durch die Halle. Er war dort aufgeklungen, wo ich auch Sukos Stimme vernommen hatte, glaubte aber nicht, dass es mein Partner war, der so geschrien hatte.
Ich riskierte noch einen Blick über die Schulter nach hinten, und das war gut so, denn der Gabelstapler hatte verdammt aufgeholt. Ein gewaltiges Ungetüm, ein Ungeheuer aus Stahl mit seinen vorstehenden breiten und auch spitz zulaufenden Zungen, die mir keine Chance gelassen hätten. Vor mir erschien das Regal. Kastenförmig wuchs es in die Höhe, und ich warf mich mit einem gewaltigen Satz genau in dem Moment nach rechts, als mich die Zinken fast berührt hätten.
Hoffentlich reichte der Sprung aus. Ich lag in der Luft, spürte den Wind, als der Stapler an mir vorbeifuhr, schlug dann auf und hatte das Gefühl, einen brutalen Schlag bekommen zu haben, der meinen Körper von den Zehenspitzen bis zum Haaransatz erfasste.
Ein infernalisches Krachen lenkte mich von meinen eigenen Sorgen ab. Es erklang, als ich über den Boden rollte, auf die Knie hochkam und dorthin leuchtete, wo der Gabelstapler in das Hochregal hineingerast war.
Die einzelnen Teile des Regals bestanden aus Metall. Sie waren verbogen und sahen aus wie ein modernes Kunstwerk. Einiges hatte dem Druck nicht standhalten können und war ineinandergekracht. Die beiden Zinken hatten sich in das Holz einer leeren Palette gebohrt und sie hochkant gestellt.
Mich interessierte natürlich der Fahrer. Einen Aufprall wie diesen überstand man kaum ohne Verletzungen. Der Lichtstrahl zuckte hin und her, glitt auch über den schmalen Fahrersitz, den ich leer fand. Wo steckte der Bursche?
Ich zog meine Waffe und näherte mich dem Fahrzeug. An der rechten Schulter spürte ich das Ziehen. Dort war ich unglücklich aufgeprallt, aber die nächsten Ereignisse lenkten mich von diesem Problem ab.
Plötzlich war der Fahrer da. Ich sah ihn, als ich nur einen Schritt vom Stapler entfernt stand. Er hatte über mir gelauert, auf einer der verbogenen Ladeflächen des Hochregals, und er sprang von oben herab wie ein Panther auf mich zu.
Weg kam ich nicht mehr. Mit beiden Fäusten erwischte er mich und schleuderte mich gegen die Breitseite des Gabelstaplers. Bevor ich mich zurechtfand, packte er schon meinen rechten Arm, wuchtete ihn hoch und wieder nach unten, so dass mein Gelenk gegen die hohe Außenkante des Staplers prallte.
Ich öffnete die Faust, die Beretta fiel nach unten und hörte gleichzeitig ein mir bekanntes fauchendes Geräusch. So wild und triumphierend machten sich Wesen bemerkbar, die eigentlich ins Reich der Schatten gehörten.
Vampire.
***
Suko hatte seine Lampe nicht eingeschaltet. Schlangengleich fand er auch im Dunkeln seinen Weg. Es war Zufall, denn auch er konnte im Finstern nicht sehen.
Der Chinese geriet in den Bereich der Halle, wo keine Container standen, sondern Fässer und menschenhohe Holzkisten. Mit den Handflächen strich Suko an den äußeren Rundungen der Fässer entlang und suchte nach einer Lücke.
Er fand sie nicht, aber zwischen den Kisten befand sich ein Weg. Der Inspektor blieb stehen. Die Lücke war schmal, auch völlig finster. Sie eignete sich hervorragend als Falle, in die Suko möglichst nicht hineintappen wollte. So blieb er stehen und lauschte. Von seinem Freund John war nicht viel zu hören. Klar, auch er würde sich langsam und vorsichtig bewegen. Dafür entdeckte Suko plötzlich den hellen Lichtkanal. John hatte seine Leuchte eingeschaltet und strahlte in die Hallenmitte. Ein Ziel fand er dort auch nicht. Dem Chinesen blieb nichts anderes übrig, als in den schmalen Gang einzutauchen. Er lief ihn rasch hindurch und befand sich danach schon nahe der Rampe, nur mehr getrennt durch die Tore.
Da hörte er Schritte. Nicht einmal leise, eher tappend. Es war schlecht festzustellen, wo sie aufgeklungen waren. Jedenfalls nicht allzu weit entfernt, wahrscheinlich noch zwischen den Kisten. Er brauchte Licht.
Auch Suko holte die kleine Lampe hervor. Als sie brannte, drehte er sich sehr schnell, bewegte den Strahl und traf plötzlich ein Ziel. Ein bleiches Gesicht erschien im Kegel. Der Mund stand so
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