Knochen-Poker
schaute für eine Weile in den Laden hinein. Schließlich tat er das, auf das er sich schon gefreut hatte.
Er holte die Maske hervor. Eine grauschwarze, gummiähnliche Masse, die er zurechtzupfen musste, um sie über seinen Kopf streifen zu können. Er legte die Maske auf den Verkaufstresen und ging zum Fenster. Wenn er hoch in den Treppenschacht schaute, sah er die Beine der über den Gehsteig schreitenden Menschen.
Sie alle gehörten ihm, sie waren seine Opfer. Er lächelte bei dem Gedanken daran.
Aus einer breiten Schublade holte er seine Waffe hervor, das Blasrohr. Die Pfeile, nicht größer als Finger, befanden sich in einem kleinen Köcher.
Die Spitzen hatte Tommy mit Curare-Gift getränkt. Wer solch einen Pfeil abbekam, war verloren. Er starb innerhalb von Sekunden und unter fürchterlichen Schmerzen. Auch als Vampir wollte er auf die Pfeile nicht verzichten. Sehr sorgfältig legte er sie und das Blasrohr neben die Maske. Sie blieb nicht mehr lange auf dem Holz liegen. Behutsam hob er sie an und streifte sie über seinen Kopf. Er zog die Konturen mit den Fingern nach und hatte den Eindruck, als würde sich Gummi über sein Gesicht legen.
Aber Gummi gab nicht dieses Gefühl. Es explodierte förmlich in seinem Innern. Er wurde ein Verwandelter. Das Böse ergriff von ihm Besitz. Es war wie eine grausame Kralle, die sich immer höher schob und sein Denken, Fühlen und Handeln allmählich veränderte. Äußerlich noch ein Mensch, innerlich ein Monster.
Sein Kopf hatte sich völlig verwandelt. Er war schwarzgrau geworden, lief zum Kinn hin spitzer zu, und ein rotes Licht leuchtete in seinen Augenhöhlen. Wenn er den Mund bewegte, blieb auch die Maske nicht ruhig. Aus dem Oberkiefer drangen die Zähne. Zwei höllisch gefährliche Stifte, die nur darauf lauerten, sich in die Haut eines Menschen schlagen zu können.
Sobald die Maske fest auf seinem Kopf saß, überkam ihn auch das andere Gefühl. Es war die reine Gier. Eine Sucht, die er nicht länger unter Kontrolle halten konnte. Sie konnte erst gestillt werden, wenn er die Untat vollbracht hatte.
Über die leicht glänzenden Lippen drangen dumpfe Laute. Unheimliche Töne, die in die makabre Umgebung des Ladens hineinpassten. Tommy durchschritt sein Reich. Er ging nicht mehr so geschmeidig. Jeden Schritt setzte er langsam, und als er den Boden berührte, hinterließen seine Sohlen dumpfklingende Echos.
Er hatte den Wunsch, nach draußen zu laufen und sich zwischen die Menschen zu stürzen, aber er verkniff es sich. Noch war die Zeit nicht reif. Kathleen sollte die erste sein, die ihn näher kennen lernte. Das dumpfe Geräusch gegen die Tür hallender Schläge riss ihn aus seinen nahen Zukunftsgedanken. Tommy drehte sich um, schaute quer durch den Laden und überlegte. Der Eindringling stand nicht direkt vor der Ladentür. Er musste sich noch draußen befinden. Wenn er das Geschäft betreten wollte, lag vor ihm noch der Gang. Tommy ging zum Fenster. Zwar war es ihm nicht möglich, den Besucher von dieser Stelle aus zu sehen, aber er konnte mit ihm reden, wenn er die Scheibe schräg stellte.
»Wer ist da?«
»Ja, ich weiß, dass du zu Hause bist, Tommy. Ich habe dich doch gesehen. Öffne.«
Tommy kannte den Mann. Es war Li, ein Chinese und gleichzeitig ein Liliputaner. Li lebte gegenüber. Die meiste Zeit über tat er nichts, lief herum, schaute sich die Leute an und wurde dann geholt, wenn irgendwelche Filmtypen einen kleinen Chinesen brauchten, den sie in ihre Handlung einbauen konnten.
Li gehörte zu Tommys Freunden, denn der kleine Mensch hatte ihm schon oft genug wertvolle Tips gegeben, wie er an Nachschub kommen konnte. Er war praktisch Tommys Späher.
»Was willst du denn?«
»Mit dir reden, Tommy.«
»Und worüber?«
»Stell dich nicht so an - öffne! Das kann ich nicht hier draußen alles erzählen. Du weißt es genau.«
Moore überlegte. Im Prinzip hatte Li recht. Aber er war ein Vampir, er konnte sich dem Kleinen nicht so zeigen. Gleichzeitig dachte er an den Druck in seinem Innern. Es wäre nicht schlecht, es jetzt schon zu versuchen. Blut ist schließlich Blut. Egal, von welch einem Menschen es stammte.
»Tommy, entscheide dich endlich! Stell dich nicht so an. Los, wir müssen sprechen.«
»Ja, Moment.« Moore schloss das Fenster wieder und ging zum Verkaufstresen, wo sich unter dem Rand der Knopf befand, den er drücken musste, um die Eingangstür zu öffnen.
Er hörte die Tür nicht, auch nicht die Schritte des Liliputaners. Tommy
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