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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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tatsächlich ein Paradebeispiel für die architektonischen Schrullen dieser Zeit. Ihre Sammlungen gehören zu den ältesten in ganz Montreal, und die Klientel ist rein englischsprachig.
    Gute Wahl, Harry.
    »Und Bernice konnte die Besitzer und die Veröffentlichungsliste von O’Connor House eruieren?«
    »Bernice ist klasse.«
    Offensichtlich.
    »Ich bin beeindruckt. Ehrlich.«
    »Nicht so beeindruckt, wie du es gleich sein wirst, große Schwester.«
    Harry musterte meine nassen Haare, das Trägershirt und die
Pyjamahose mit Kordelbund.Vielleicht weil sie neugierig war, warum ich vor dem Essen geduscht und mir etwas Bequemes angezogen hatte, fragte sie mich, wie mein Tag gewesen war. Da Ryans Tote und Vermisste und das Verschwinden von Phoebe Jane Quincy überall in den Medien waren, sah ich keinen Grund für Heimlichtuerei.
    Ich erzählte Harry von den Altfällen, die Ryan und Hippo bearbeiteten. Die Vermissten Kelly Sicard, Claudine Cloquet, Anne Girardin und seit Kurzem Phoebe Jane Quincy. Die Toten von der Rivière des Mille Îles, aus Dorval und jetzt auch vom Lac des Deux Montagnes. Ich erzählte ihr knapp von der Aktion im Studio, ohne Cormiers Namen zu erwähnen, und beschrieb ihr Kelly Sicards Foto.
    »Hurensohn.«
    Da konnte ich nur zustimmen. Hurensohn.
    Unseren eigenen Gedanken nachhängend, beendeten wir das Essen. Erst als ich vom Tisch aufstand, brach ich das Schweigen.
    »Warum versuchst du’s nicht noch mal bei Flannery O’Connor, während ich diesen Verhau hier aufräume?«
    Harry war zurück, bevor ich die Spülmaschine eingeräumt hatte. In Toronto meldete sich immer noch niemand.
    Sie schaute mich an und dann auf die Uhr. Fünf nach zehn.
    »Süße, du siehst fix und fertig aus.« Sie nahm mir den Teller aus der Hand. »Hau dich hin.«
    Ich widersprach ihr nicht.
    Birdie folgte mir ins Bett.
    Aber der Schlaf ließ mich im Stich.
    Ich warf mich hin und her, klopfte das Kissen aus, warf die Decke zurück, zog sie wieder hoch. Immer und immer wieder gingen mir dieselben Fragen durch den Kopf.
    Was war mit Phoebe Jane Quincy passiert? Mit Kelly Sicard, Claudine Cloquet und Anne Girardin? Wer waren die Mädchen, die man in Dorval, an der Rivière des Mille Îles und im Lac des Deux Montagnes gefunden hatte?

    Und immer wieder sah ich Bilder von Kelly Sicard/Kitty Stanley. Warum hatte Sicard einen falschen Namen benutzt? Warum hatte Cormier sie fotografiert? Hatte er mit ihrem Verschwinden zu tun? Mit dem Verschwinden und/oder dem Tod der anderen?
    Und das Skelett aus Rimouski. Hippos Mädchen. Was bedeuteten die Verletzungen an Fingern und Zehen und im Gesicht? Wo lag L’Île-aux-Becs-Scies? War das Mädchen eine Eingeborene? War ihr Tod jüngeren Datums? Konnten es die Knochen von Évangéline Landry sein? War Évangéline ermordet worden, wie ihre Schwester glaubte? Oder hatte sich Obélines kindliche Erinnerung wegen eines Furcht einflößenden Vorfalls verzerrt? War Évangéline krank gewesen? Falls ja, warum hatte Obéline dann darauf bestanden, sie wäre gesund gewesen?
    Ich versuchte, mir Évangéline vorzustellen, mir ein Bild zu machen von der Frau, die sie heute wäre. Eine Frau, die zwei Jahre älter wäre als ich.
    Und natürlich dachte ich an Ryan.
    Vielleicht war es die Erschöpfung. Oder die Mattheit nach so vielen entmutigenden Erfahrungen. Oder die optische Überlastung nach den Hunderten von Gesichtern, die ich mir an diesem Tag angesehen hatte.Vor meinem geistigen Auge sah ich nur dunkle Locken, einen blauen Badeanzug, ein gepunktetes Sommerkleidchen. Eingeblendete Schnappschüsse, keine echten Erinnerungen. Sosehr ich es auch versuchte, ich sah Évangélines Gesicht einfach nicht mehr vor mir.
    Große Traurigkeit überwältige mich.
    Ich warf die Decke zurück, schaltete die Nachttischlampe an und setzte mich auf die Bettkante. Bird stupste mich am Ellbogen. Ich hob den Arm und drückte ihn an mich.
    Ein leises Klopfen an der Tür.
    »Was ist los?«
    »Nichts.«

    Harry öffnete die Tür. »Du wirfst dich rum wie ein Fisch auf dem Trockenen.«
    »Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie Évangéline ausgesehen hat. Nicht wirklich.«
    »Und das hält dich wach?«
    »Das ist im Augenblick meine fixe Idee.«
    »Warte mal.«
    Augenblicke später war sie wieder da und drückte sich ein großes, grünes Buch an die Brust.
    »Ich wollte das eigentlich als Gastgeschenk für den Abschied aufheben, aber du siehst aus, als könntest du es jetzt schon gebrauchen. «
    Harry setzte sich neben

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