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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Auslöser betätigte.
    Hatte diese Frau sich für einen desinteressierten Ehemann die Haare gelockt und die Lippen geschminkt? Was hatte in ihr die Hoffnung auf eine neu zu entfachende Romanze geweckt?
    Dachte dieses Kind an Harry Potter? An sein Hündchen? An das Eis, das man ihm versprochen hatte, wenn es brav war und freundlich lächelte?
    Obwohl ich einige Mappen beiseitegelegt und Hippo oder Ryan um ihre Meinung gefragt hatte, blieb letztendlich keine einzige davon übrig. Ein paar Ähnlichkeiten, aber keine Übereinstimmung. Diese Mädchen gehörten nicht zu den toten oder vermissten Altfällen, die ich kannte.
    Hippo wälzte Papier auf der anderen Seite des Zimmers. Hin und wieder sprühte er sich die Nase oder schluckte eine Magentablette. Ryan war auf der anderen Seite des Gangs in Cormiers Büro. Seit fast einer Stunde hatte keiner von beiden mich um meine Meinung gefragt.
    Mein Kreuz schmerzte, weil ich immer ganze Armladungen von Mappen auf einmal heben musste und in einem ergonomisch ungünstigen Winkel vorgebeugt dasaß. Ich stand von dem kleinen Hocker auf, streckte mich und bückte mich dann, um die Zehen zu berühren.
    Das Papierrascheln hörte auf. »Soll ich uns Pizza bestellen?«
    Pizza klang gut. Ich wollte schon Ja sagen.
    »Oder vielleicht in Tracadie anrufen?«
    »Lassen Sie’s gut sein, Hippo.«
    Ich hörte, wie Papier auf Holz klatschte. Dann tauchte Hippos Gesicht über der hinteren Schrankreihe auf. Es sah schweißnass und verärgert aus.
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass dieser Bastarache ein echt schlimmer Finger ist. Es wär nicht verkehrt gewesen, wenn jemand Sie aus der Entfernung im Auge behalten hätte, nur für den Fall, dass es brenzlig wird.«
    Er hatte natürlich recht. Hippo hatte unzählige Informanten. Er hätte uns beschatten lassen können und vielleicht so erfahren, wer es sonst noch tat.
    »Wer ist die Blonde?«
    »Meine Schwester.« Also hatte man ihm Bericht erstattet. Wahrscheinlich nach meinem Anruf. »Wir haben mit Obéline gesprochen. Das ist alles.Wir haben nicht herumgeschnüffelt.«
    Hippo wischte sich mit dem Taschentuch über Stirn und Nacken.
    »Wollen Sie wissen, was wir erfahren haben?«
    »Ist das Skelett dieses Mädchen, das Sie kannten?«
    »Erst die Pizza.«
    Hippo kam um seine Schrankreihe herum. Sein Hemd war so nass, dass es beinahe transparent war. Kein schöner Anblick.
    »Gibt’s eigentlich irgendwas, das Sie nicht essen?«
    »Da müssten Sie sich schon sehr anstrengen.«
    Als er gegangen war, fiel es mir wieder ein. Ryan hasst Ziegenkäse.
    Die Chance, dass Hippo an etwas anderes denken würde als an die traditionelle Wurst- und Käseabteilung, war allerdings ziemlich gering. Und falls doch, dann hatte Ryan eben Pech.
    Ich schaffte noch eine weitere Schublade, bevor Hippo zurückkehrte. Ich hatte recht gehabt. Toute garnie. Mit allem. Schinken. Salami. Grüne Paprika. Pilze. Zwiebeln.

    Beim Essen berichtete ich von meinem Besuch in Tracadie und erzählte noch einmal meine Begegnung mit den beiden Schlägern vor der Brasserie. Hippo fragte mich, ob ich Namen aufgeschnappt hätte. Ich schüttelte den Kopf.
    »Bastaraches Leibwache?«, fragte Ryan.
    »Die meisten dieser Kerle sind sogar als Nachtwächter zu blöd.« Hippo warf seinen Krustenrand in den Karton und nahm sich ein weiteres Stück. »Das heißt aber nicht, dass Bastarache einem nicht die Hölle heiß machen kann.«
    »Ich habe doch nur seine Frau besucht.«
    »Die Frau, die er geschlagen und angezündet hat.«
    Ich war fest entschlossen, Hippos schlechte Laune zu ignorieren. »Ich schicke die DNS-Proben gleich morgen los.«
    »Wie stehen die Chancen, dass der Coroner die Kohle springen lässt?«
    »Wenn er es nicht tut, zahle ich aus eigener Tasche.«
    »Du hast das Alter des Skeletts auf vierzehn geschätzt«, sagte Ryan.
    »Das Mädchen war krank. Falls die Krankheit seine Entwicklung verlangsamt hatte, könnte ich die Schätzung zu niedrig angesetzt haben.«
    »Aber Obéline sagte, ihre Schwester war gesund.«
    »Ja«, sagte ich. »Das hat sie.«
    Um Viertel nach fünf wuchtete ich den letzten Mappenstapel aus der untersten Schublade meines achten Schranks.
    Die erste enthielt Glamour-Aufnahmen.ClaireWelsh.Schmollmund. Aufgedonnerte Frisur. Push-up-BH für ein imposantes Dekolleté.
    Die zweite war ein Kleinkind. Christophe Routier. Auf einem Dreirad.Auf einem Schaukelpferd. Mit einem Plüschtier im Arm.
    Die dritte war ein Paar. Alain Tourniquette und Pamela Rayner. Hand in Hand.

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