Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
dämmerte, was dieser Sack enthielt.
Nein! Bitte nicht!
Als ich mich darüberbeugte, stieg mir der widerliche Gestank versengten Fleisches und verbrannten Fells in die Nase. Zwischen den Hinterläufen sah ich einen verkohlten Schwanz, dessen Wirbel abstanden wie Dornen.
Tränen liefen mir über die Wangen, als ich weiterschnitt. In der Nähe des Knotens sah ich Haare, zwar versengt, aber an Stellen noch weiß.
Die halbvollen Schüsseln.
»Neeeiiiiin!«
Ich hörte eine Stimme, brachte sie aber nicht mit mir in Verbindung.
»Nein! Nein! Nein! Birdie. O Gott, bitte nicht!«
Ich spürte Hände auf meinen Schultern, dann auf meinen Händen. Sie nahmen mir die Schere weg und zogen mich sanft in die Höhe. Stimmen.
Dann saß ich im Wohnzimmer, in eine Decke gewickelt. Ich weinte, zitterte, mein Körper schmerzte.
Ich weiß nicht, wie lange ich schon schluchzte, als ich den Kopf hob und meine Nachbarin sah. Sie deutete auf eine Tasse Tee.
»Was ist das?« fragte ich mit bebender Brust.
»Pfefferminz.«
»Danke.« Ich trank die lauwarme Flüssigkeit. »Wie spät ist es?«
»Kurz nach zwei.« Sie trug Hausschuhe und einen Trenchcoat, der ihr Flanellnachthemd nicht ganz bedeckte. Obwohl wir uns manchmal im Garten zuwinkten und auf der Straße grüßten, kannte ich sie kaum.
»Tut mir leid, daß Sie mitten in der Nacht aus dem Bett mußten –«
»Ich bitte Sie, Dr. Brennan. Wir sind Nachbarn. Ich weiß, daß Sie dasselbe für mich tun würden.«
Ich trank noch einen Schluck. Meine Hände waren eiskalt, zitterten aber nicht mehr so stark.
»Ist die Feuerwehr noch da?«
»Schon weg. Sie haben gesagt, sie nehmen Ihre Aussage auf, wenn Sie sich wieder besser fühlen.«
»Haben Sie den Sack mit –« Mir versagte die Stimme, Tränen stiegen mir in die Augen.
»Ja. Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
»Nein, vielen Dank. Ich komme schon zurecht. Sie waren sehr freundlich.«
»Tut mir leid wegen des Schadens. Wir haben ein Brett vor das Fenster genagelt. Ist zwar nicht gerade elegant, hält aber den Wind ab.«
»Vielen Dank. Ich –«
»Ich bitte Sie. Jetzt schlafen Sie einfach noch ein wenig. Vielleicht sieht morgen schon wieder alles ganz anders aus.«
Ich dachte an Birdie, und mir graute vor dem Morgen. In meiner Verzweiflung griff ich zum Telefon und wählte Petes Nummer. Keine Antwort.
»Und Sie kommen wirklich zurecht? Soll ich Ihnen nach oben helfen?«
»Nein, vielen Dank. Ich scharf das schon.«
Nachdem sie gegangen war, kroch ich ins Bett und weinte mich in den Schlaf.
Ich erwachte mit dem Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Etwas war anders. Verloren. Dann volles Bewußtsein und mit ihm die Erinnerung.
Es war ein warmer Frühlingsmorgen. Durchs Fenster sah ich blauen Himmel und Sonnenschein und roch den Duft der Blumen. Aber die Schönheit des Tages konnte meine Niedergeschlagenheit nicht vertreiben.
Als ich bei der Feuerwehr anrief, erfuhr ich, daß man die Beweisstücke ins Forensiklabor geschickt hatte. Bleischwer machte ich mich an meine morgendlichen Verrichtungen. Ich zog mich an, schminkte mich, kämmte mir die Haare und fuhr in die Stadt.
Der Sack enthielt nichts als die Katze. Kein Halsband. Keine Anhänger. In einem der Schlackensteine hatte man einen handgeschriebenen Zettel gefunden. Ich las ihn durch die Plastiktüte hindurch.
Das nächste Mal ist es keine Katze.
»Und jetzt?« fragte Ron Tillman, der Direktor des Forensiklabors. Er war ein großer, gutaussehender Mann mit silbergrauen Haaren und einer unvorteilhaften Lücke zwischen den Schneidezähnen.
»Wir haben die Beweisstücke bereits auf Fingerabdrücke untersucht. Fehlanzeige auf dem Zettel mit den Steinen. Die Spurensicherung wird noch in Ihre Wohnung fahren, aber Sie wissen so gut wie ich, daß man dort nicht viel finden wird. Ihr Küchenfenster ist so nah an der Straße, daß die Täter wahrscheinlich nur aus dem Auto gestiegen sind, den Sack angezündet und dann alles vom Bürgersteig aus durchs Fenster geworfen haben. Wir suchen natürlich nach Fußabdrücken und befragen die Nachbarn, aber es ist unwahrscheinlich, daß um halb zwei noch jemand wach war.«
»Tut mir leid, daß ich nicht am Wilkinson Boulevard wohne.«
»So was kann passieren, egal wo man wohnt.«
Ron und ich arbeiteten schon seit Jahren zusammen. Er wußte von dem Serienmörder, der in meine Wohnung in Montreal eingebrochen war.
»Ich lasse die Spurensicherung Ihre Küche untersuchen, aber da diese Kerle nicht im Haus
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