Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
ewige Leben verweigern?‹«
Ich wartete, während Red sich Kathryns Worte durch den Kopf gehen ließ. Als ich den Hörer in die andere Hand nahm, sah ich den Abdruck, den meine schweißfeuchte Hand auf der Plastikoberfläche hinterlassen hatte.
»Ich weiß nicht so recht, Tempe. Das ist eine heikle Geschichte. Es ist immer schwer zu sagen, wann eine Gruppe gewalttätig wird. Einige dieser religiösen Randgruppen sind äußerst unberechenbar. Andere sind harmlos.«
»Gibt es denn keine Indikatoren?«
Was, wenn mein Baby stirbt?
»Es gibt eine Reihe von Faktoren, die sich gegenseitig bedingen. Zuerst einmal die Sekte selbst, ihre Glaubenssätze und Rituale, ihre Organisationsform und natürlich ihr Anführer. Dann gibt es äußere Faktoren. Wieviel Feindseligkeit richtet sich gegen die Anhänger? Wie stark werden sie von der Gesellschaft stigmatisiert? Und diese Art schlechter Behandlung muß nicht einmal real sein. Sogar eingebildete Verfolgung kann dazu führen, daß eine Organisation gewalttätig wird.«
Er will uns einfach nur aus der Zerstörung herausführen.
»Welche Art von Glauben verleitet diese Gruppen zu extremem Verhalten?«
»Das ist es, was mir an Ihrer jungen Dame Sorgen macht. Es klingt, als würde sie über eine Reise reden. Eine Reise ins ewige Leben. Das klingt apokalyptisch.«
Er versucht nur, uns zu beschützen und uns hinüberzubringen.
»Das Ende der Welt.«
»Genau. Die letzten Tage. Armageddon.«
»Das ist nichts Neues. Warum führt eine apokalyptische Weltsicht immer zu Gewalt? Warum verkriechen sich die Leute nicht einfach und warten ab?«
»Verstehen Sie mich nicht falsch. Es muß nicht immer so sein. Aber diese Gruppen glauben, daß die letzten Tage bevorstehen und daß ihnen eine Schlüsselrolle in den zu erwartenden Ereignissen zugewiesen ist. Sie sind die Auserwählten, die die neue Ordnung hervorbringen.«
Sie hatte eine Heidenangst, weil ihr Baby nicht geweiht sein würde.
»Und daraus entwickelt sich eine Art von Dualismus in ihrem Denken. Sie sind gut, und alle anderen sind hoffnungslos verdorben, ohne jede Moral. Außenstehende werden so dämonisiert.«
»Du bist entweder für mich oder gegen mich.«
»Genau. Nach diesen Visionen werden die letzten Tage bestimmt sein von Gewalt. Diese Gewalt wird gegen die Erleuchteten gerichtet sein, das heißt, sie müssen sich schützen. Einige Gruppen entwickeln eine typische Survival-Ideologie, sie decken sich mit Waffen ein und errichten hochkomplexe Überwachungssysteme als Schutz gegen die böse Gesellschaftsordnung, die es auf sie abgesehen hat. Oder gegen den Antichrist oder Satan oder was immer sie gerade als Bedrohung betrachten.«
Dom glaubt nicht an den Antichrist.
»Apokalyptische Glaubenssysteme können vor allem dann sehr unberechenbar sein, wenn sie auf einen charismatischen Führer fixiert sind. David Koresh zum Beispiel betrachtete sich als den von Gott Gesandten.«
»Erzählen Sie weiter.«
»Wissen Sie, eins der Probleme eines selbsternannten Propheten besteht darin, daß er sich ständig neu erfinden muß. Langfristig gibt es für seine Autorität keinen institutionellen Rückhalt. Es gibt aber auch keine institutionellen Beschränkungen für sein Verhalten. Der Führer sagt, wo’s langgeht, aber nur solange seine Anhänger ihm folgen. Diese Kerle können deshalb sehr unberechenbar sein. Und innerhalb ihrer Machtsphäre können sie tun und lassen, was sie wollen.
Einige der stärker Paranoiden reagieren auf eingebildete Bedrohungen ihrer Autorität mit extrem diktatorischem Verhalten. Sie stellen immer bizarrere Forderungen und bestehen auf deren Erfüllung als Beweis der Loyalität ihrer Anhänger.«
»Zum Beispiel?«
»Jim Jones hatte Glaubensprüfungen, wie er das nannte. Mitglieder des Volkstempels wurden gezwungen, Geständnisse zu unterschreiben oder sich öffentlichen Demütigungen zu unterziehen, um ihre Hingabe zu beweisen. Ein kleines Ritual verlangte zum Beispiel vom Prüfling, eine nicht identifizierte Flüssigkeit zu trinken. Und wenn man ihm dann sagte, daß es Gift sei, durfte er keine Angst zeigen.«
»Reizend.«
»Vasektomie ist ebenfalls sehr beliebt. Angeblich beorderte die Leitung von Synanon einige der männlichen Anhänger unters Messer.«
Ihr Fortpflanzungspartner war Jason.
»Was ist mit arrangierten Ehen?«
»Jouret und DiMambro, Jim Jones, David Koresh, Charles Manson, Roch Thériault. Sie alle haben Kontrolle über das Sexualverhalten ihrer Gruppe ausgeübt.
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