Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
wieder aus.
Ich sah nach, ob die Objektträger für Pelletiers Baby schon fertig waren. Denis sagte mir, daß sie erst morgen soweit seien.
Danach beschäftigte ich mich eine Stunde lang im Histologielabor mit der Kremationssache. Sie befand sich in einem Marmeladenglas mit einem handgeschriebenen Aufkleber, auf dem der Name des Verstorbenen, der Name des Krematoriums und das Datum der Verbrennung aufgezeichnet waren. Keine typische Verpackung für Nordamerika, aber ich hatte keine Ahnung von den Praktiken in der Karibik.
Kein Partikel war größer als einen Zentimeter. Nur wenige Knochenfragmente überstehen die Pulverisierer, die in modernen Krematorien verwendet werden. Mit Hilfe einer Sezierlupe konnte ich einige Dinge identifizieren, darunter ein vollständiges Ohrknöchelchen. Außerdem entdeckte ich einige kleine Stücke verbogenen Metalls, die ich für Teile einer Zahnprothese hielt. Ich hob sie für den Zahnspezialisten auf.
In Normalfall bleiben von einem Erwachsenen nach Kremation und Pulverisierung ungefähr 3 500 Kubikzentimeter Asche übrig. Das Glas enthielt etwa 360. Ich schrieb einen kurzen Vermerk mit den Angaben, daß es sich bei den Überresten um die eines erwachsenen Menschen handle und daß sie unvollständig seien. Jede Hoffnung auf eine eindeutige Identifikation lag nun bei Bergeron.
Um halb sieben packte ich zusammen und ging nach Hause.
6
Élisabeths Skelett ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Was ich gesehen hatte, war so gut wie unmöglich, aber sogar LaManche hatte es bemerkt. Ich hätte mich sehr gern weiterhin mit dieser Frage beschäftigt, aber am nächsten Morgen verlangte ein Satz winziger Knochen neben meinem Spülbecken im Histologielabor meine Aufmerksamkeit. Die Objektträger waren ebenfalls fertig, und so widmete ich mich einige Stunden lang Pelletiers Baby.
Da ich um halb elf keine weiteren Anfragen auf meinem Schreibtisch vorfand, rief ich Schwester Julienne an, um so viel wie möglich über Élisabeth Nicolet herauszufinden. Ich stellte ihr dieselben Fragen, die ich schon Father Ménard gestellt hatte, mit ähnlichen Resultaten. Élisabeth war pure laine. Reine Quebecer Wolle. Aber es gab keine Unterlagen, in denen ihre Geburt oder ihre Eltern offiziell vermerkt waren.
»Was ist mit Dokumenten außerhalb des Konvents, Schwester? Haben Sie auch andere Sammlungen überprüft?«
»Ah, oui. Meine Recherchen erstreckten sich auf sämtliche Archive der Erzdiözese. Wir haben Bibliotheken überall in der Provinz, müssen Sie wissen. Ich habe mir Material aus vielen Konventen und Klöstern besorgt.«
Einiges von diesem Material hatte ich gesehen. Der Großteil bestand aus Briefen und persönlichen Tagebüchern, die Hinweise auf die Familie enthielten. Ein paar davon waren Versuche historischer Abrisse, allerdings nicht das, was mein Dekan als »epochen- und schichtimmanent verifiziert« nennen würde. Viele waren reine Anekdotensammlungen, in denen sich Hörensagen auf Hörensagen türmte.
Ich versuchte eine andere Richtung. »Bis vor kurzem war doch die Kirche verantwortlich für alle Geburtsscheine in Quebec, nicht?« Das wußte ich von Father Ménard.
»Ja. Bis vor ein paar Jahren.«
»Aber für Élisabeth ist keiner zu finden?«
»Nein.« Eine Pause entstand. »Wir hatten im Lauf der Jahre einige tragische Brände. 1880 bauten die Schwestern von Notre Dame ein wunderschönes Mutterhaus am Fuß des Mount Royal. Leider brannte das dreizehn Jahre später bis auf die Grundmauern ab. Unser eigenes Mutterhaus wurde 1897 zerstört. Hunderte von unschätzbaren Dokumenten gingen bei diesen Bränden verloren.«
Einen Augenblick lang schwiegen wir beide.
»Schwester, was meinen Sie, wo könnte ich sonst noch Informationen über Élisabeths Geburt finden? Oder über ihre Eltern?«
»Ich … nun, ich schätze, Sie könnten es in den weltlichen Bibliotheken versuchen. Oder bei der Historischen Gesellschaft. Oder vielleicht in einer der Universitäten. Die Familien Nicolet und Bélanger haben einige für die frankokanadische Geschichte wichtige Persönlichkeiten hervorgebracht. Ich bin mir sicher, daß sie in historischen Abrissen erwähnt werden.«
»Vielen Dank, Schwester, das werde ich tun.«
»Es gibt da eine Professorin an der McGill, die in unseren Archiven recherchiert hat. Meine Nichte kennt sie. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit religiösen Bewegungen, interessiert sich aber auch für die Quebecer Geschichte. Ich weiß nicht mehr, ob sie Anthropologin oder
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