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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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ist alles, was ich sagen kann, aber ich kann Ihnen versichern, daß sie wohlauf und glücklich ist.«
    Warum so sicher? Sollte ich? Zum Teufel. Ich sagte es, nur um ihre Reaktion zu sehen. »Daisy, ich weiß, daß das bizarr klingt, aber ich habe gehört, daß Anna sich mit einem Satanskult eingelassen hat.«
    Das Lächeln verschwand. »Ich will Sie gar nicht fragen, woher Sie diese Information haben. Es überrascht mich nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Kinderschänder. Psychopathische Mörder. Satanisten. Die bösen Nachbarn, die Kindern an Halloween Arsenbonbons schenken.«
    »Aber diese Gefahren existieren doch«, sagte ich mit fragend hochgezogenen Augenbrauen.
    »Wirklich? Oder sind es nur urbane Legenden? Memorata der modernen Zeit?«
    »Memorata?« Ich fragte mich, was das mit Anna Goyette zu tun hatte.
    »Ein Begriff, den Volkskundler benutzen, um zu beschreiben, wie Leute ihre Ängste mit populären Legenden verarbeiten. Diese liefern Möglichkeiten zur Erklärung verstörender Erlebnisse.«
    Mein Gesicht sagte ihr, daß ich noch immer verwirrt war.
    »Jede Kultur hat Geschichten, Volkssagen, die verbreitete Ängste zum Ausdruck bringen. Die Angst vor dem schwarzen Mann, vor Außenseitern, vor Fremden. Dem Verlust von Kindern. Wenn etwas passiert, das wir nicht verstehen, aktualisieren wir alte Märchen. Die Hexe hat sich Hänsel und Gretel geschnappt. Der Mann im Einkaufszentrum hat sich das davongelaufene Kind geschnappt. Es ist eine Möglichkeit, verwirrende Erfahrungen plausibel zu machen. Und deshalb erzählen die Leute Geschichten über Entführungen durch Außerirdische, Elvis-Erscheinungen, Halloween-Vergiftungen. Es ist immer dem Freund eines Freundes, einem Cousin oder dem Sohn des Chefs passiert.«
    »Sind die Vergiftungen mit Halloween-Bonbons denn nicht wirklich passiert?«
    »Ein Soziologe hat die entsprechenden Zeitungsmeldungen aus den siebziger und achtziger Jahren überprüft und festgestellt, daß in dieser Zeit nur zwei Todesfälle auf den Genuß von vergifteten Bonbons zurückgeführt werden konnten, und in beiden Fällen waren Familienangehörige die Täter. Nur sehr wenige andere Fälle sind dokumentiert. Aber die Legende wuchs, weil sie tiefsitzende Ängste formulierte: die Angst vor dem Verlust der Kinder, die Angst vor der Nacht, die Angst vor Fremden.«
    Ich ließ sie weiterreden und wartete auf die Verbindung zu Anna.
    »Sie haben doch sicher schon von Subversionsmythen gehört. Ein Lieblingsthema der Anthropologen.«
    Ich kramte in meiner Erinnerung an ein Seminar über Mythologie. »Schuldzuweisungen. Geschichten, die Sündenböcke für komplizierte Probleme produzieren.«
    »Genau. Für gewöhnlich sind die Sündenböcke Außenseiter – rassische, ethnische oder religiöse Gruppen, die anderen unheimlich sind. Die Römer beschuldigten die frühen Christen der Unzucht und der Kinderopfer. Tausende starben wegen dieser Art von Aberglauben. Denken Sie an die Hexenprozesse. Aber es gibt nicht nur alte Geschichten. Nach den Studentenunruhen in Frankreich Ende der Sechziger wurden jüdische Ladenbesitzer beschuldigt, sie würden junge Mädchen aus Umkleidekabinen entführen.«
    Ich erinnerte mich schwach daran.
    »Und in jüngster Zeit sind es türkische und nordafrikanische Einwanderer. Vor einigen Jahren behaupteten Hunderte von französischen Eltern, ihre Kindern seien von Immigranten entführt, getötet und ausgeweidet worden, obwohl in Frankreich so gut wie keine Kinder als vermißt gemeldet worden waren. Und dieser Mythos besteht fort, sogar hier in Montreal, nur daß es jetzt neue schwarze Männer gibt, die rituelle Kindermorde praktizieren.« Sie beugte sich vor, riß die Augen weit auf und zischte das letzte Wort beinahe. »Satanisten.«
    Es war die heftigste Gefühlsregung, die ich an ihr bisher gesehen hatte.
    »Eigentlich gar nicht überraschend«, fuhr sie fort. »In Zeiten sozialen Wandels ist immer eine verstärkte Beschäftigung mit Dämonologie festzustellen. Und am Ende eines Jahrtausends. Aber jetzt kommt die Bedrohung von Satan.«
    »Hat denn nicht Hollywood einen Großteil davon erzeugt?«
    »Natürlich nicht absichtlich, aber dazu beigetragen hat es. Hollywood will einfach nur kommerziell erfolgreiche Filme machen. Aber das ist eine uralte Frage: Formt die Kunst die Zeit, oder reflektiert sie sie nur? Rosemarys Baby, Das Omen, Der Exorzist. Was machen diese Filme? Sie erklären gesellschaftliche Ängste mit Hilfe einer Bildersprache des Dämonischen. Und

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