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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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jedes Recht, mit ihm zu schlafen, wenn sie wollte. Warum war ich dann so abweisend gewesen? Ich beschloß, an diesem Abend freundlicher zu ihr zu sein.
     
    Ich trocknete mich eben ab, als ich das Piepsen der Alarmanlage hörte. Ich zog ein Flanellhemd mit Disney-Figuren, das Harry mir einmal zu Weihnachten geschenkt hatte, aus dem Schrank und streifte es mir über.
    Ich fand sie ihm Wohnzimmer, wo sie, noch immer in Jacke, Mütze und Handschuhen, dastand und ins Leere starrte.
    »Langer Tag, würde ich sagen.«
    »Ja.« Ihr Blick kehrte ins Hier und Jetzt zurück, und sie schenkte mir ein dünnes Lächeln.
    »Hunger?«
    »Glaub schon. Aber laß mir noch ein paar Minuten Zeit.« Sie warf ihren Rucksack auf die Couch und ließ sich daneben fallen.
    »Natürlich. Zieh die Jacke aus und mach’s dir bequem.«
    »Ja. Verdammt kalt ist das hier. Nur das kurze Stück von der Metro hierher, und ich komme mir vor wie ein Eis am Stiel.«
    Nach ein paar Minuten hörte ich sie im Gästezimmer, dann kam sie zu mir in die Küche. Ich grillte den Lachs und mischte den Salat, während sie den Tisch deckte.
    Als wir uns zum Essen setzten, fragte ich sie nach ihrem Tag.
    »War ganz okay.« Sie schnitt ihre Kartoffel auf, zerdrückte sie und löffelte Sauerrahm darüber.
    »Okay?« hakte ich nach.
    »Ja. Wir haben einiges hinter uns gebracht.«
    »Du siehst aus, als hättest du sechzig Kilometer schlechter Straße hinter dir.«
    »Ja. Ich bin ziemlich fertig.« Sie lächelte nicht einmal über meine Wortwahl.
    »Und was habt ihr getan?«
    »Viele Vorträge, Übungen.« Sie löffelte Sauce auf ihren Fisch. »Was sind das für grüne Fädchen?«
    »Dill. Was für Übungen?«
    »Meditationen. Spiele.«
    »Spiele?«
    »Geschichtenerzählen. Gymnastik. Was man eben von uns verlangt.«
    »Du tust alles, was man von dir verlangt?«
    »Ich tu’s, weil ich mich dafür entschieden habe, es zu tun«, blaffte sie.
    Ich erschrak. Es kam selten vor, daß Harry mich so anblaffte.
    »‘tschuldigung. Ich bin einfach nur müde.«
    Eine Weile aßen wir schweigend. Eigentlich interessierte mich ihre Kuschel-und-Quassel-Therapie nicht sonderlich, aber nach ein paar Minuten versuchte ich es noch einmal.
    »Wie viele Leute seid ihr denn?«
    »Einige.«
    »Sind sie interessant?«
    »Ich mache das nicht, um Freunde zu finden. Ich lerne, verantwortungsbewußt zu werden. Mein Leben ödet mich an, und ich versuche herauszufinden, wie ich es besser gestalten kann.«
    Sie stocherte in ihrem Salat. Ich konnte mich nicht erinnern, sie je so niedergeschlagen gesehen zu haben.
    »Und diese Übungen helfen dabei?«
    »Tempe, du mußt das selber ausprobieren. Ich kann dir nicht genau sagen, was wir tun und wie es funktioniert.«
    Sie schabte die Dillsoße vom Lachs und zerpflückte das Filet.
    Ich sagte nichts.
    »Ich glaube nicht, daß du es kapieren würdest. Du bist so steif.«
    Sie nahm ihren Teller und trug ihn in die Küche. Soviel zu meinem Entschluß, Interesse zu zeigen.
    Ich stellte mich zu ihr ans Spülbecken.
    »Ich glaube, ich gehe jetzt einfach ins Bett«, sagte sie und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Wir reden dann morgen.«
    »Ich fliege am Nachmittag.«
    »Ach so. Ich ruf dich an.«
    Im Bett ging ich die Unterhaltung noch einmal durch. Ich hatte Harry noch nie so mutlos erlebt und so reizbar, wenn man sie ansprach. Offensichtlich war sie wirklich erschöpft. Vielleicht war es aber auch die Sache mit Ryan. Oder ihre Trennung von Striker.
    Nachträglich fragte ich mich, warum ich die Zeichen nicht erkannt hatte. Dann wäre vieles anders gekommen.

13
    Am Montag stand ich bei Tagesanbruch auf, weil ich für Harry und mich Frühstück machen wollte. Sie lehnte ab, weil an diesem Tag Fasten angesagt sei, wie sie sagte. Noch vor sieben verließ sie das Haus, im Trainingsanzug und ohne Make-up, ein Anblick, den ich bei ihr nie erwartet hätte.
    Es gibt Bücher, in denen man den kältesten, den trockensten, den tiefsten Punkt der Erde nachschlagen kann. Der tristeste ist zweifelsohne die Periodika- und Mikrofilmabteilung der McLennan Library an der McGill. Es ist ein langer, schmaler Saal im ersten Stock mit Gußbetonwänden und Neonröhren und, in einem hübschen Kontrast dazu, einem blutroten Boden.
    Den Anweisungen der Bibliothekarin folgend, ging ich an den Reihen der Periodika und Zeitungen vorbei zu den Regalen mit winzigen Pappkartonschachteln und runden Metalldosen. Ich fand diejenigen, die ich brauchte, und begab mich damit in den Lesesaal.

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