Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
auf. Ich hängte meine Jacke in den Dielenschrank und schleppte meinen Koffer die schmale Treppe hoch ins Schlafzimmer.
»Bird?«
Kein Miauen und kein pelzig weißes Gesicht, das um eine Ecke lugte.
Unten fand ich dann einen Zettel auf dem Küchentisch. Pete hatte Birdie noch bei sich, aber er flog am Mittwoch nach Denver und wollte, daß ich den Kater spätestens am Dienstag abholte. Der Anrufbeantworter blinkte wie eine Warnlampe, und das war auch durchaus angemessen, dachte ich.
Ich sah auf die Uhr. Halb elf. Eigentlich wollte ich nicht mehr ausgehen.
Ich wählte Petes Nummer. Meine Nummer für so viele Jahre. Ich sah den Apparat an der Küchenwand vor mir, die V-förmige Kerbe an der rechten Seite des Gehäuses. Wir hatten gute Zeiten erlebt in diesem Haus, vor allem in der Küche mit ihrem riesigen offenen Kamin und dem großen alten Kieferntisch. Gäste zog es immer in die Küche, egal, wo ich sie hinzusteuern versuchte.
Der Anrufbeantworter sprang an, und Petes Stimme bat um eine kurze Nachricht. Ich hinterließ ihm eine. Ich versuchte es bei Harry. Das gleiche, meine Stimme.
Ich hörte meine Nachrichten ab. Pete. Mein Dekan. Zwei Studenten. Ein Freund, der mich zu einer Party am vergangenen Dienstag einladen wollte. Meine Schwiegermutter. Zwei, die wieder aufgelegt hatten. Meine beste Freundin Ann. Keine Landminen. Es ist immer eine Erleichterung, wenn die kurzen Monologe sich aneinanderreihen, ohne geschehene oder bevorstehende Katastrophen zu beschreiben.
Ich hatte eine Tiefkühlpizza aufgebacken und gegessen und war schon fast mit dem Auspacken fertig, als das Telefon klingelte.
»Gute Reise gehabt?«
»Nicht schlecht. So wie immer.«
»Bird sagt, er will dich verklagen.«
»Weswegen?«
»Wegen Vernachlässigung.«
»Da könnte er gute Chancen haben. Wirst du ihn vertreten?«
»Wenn er sich den Vorschuß leisten kann.«
»Was gibt’s in Denver?«
»Muß eine eidliche Aussage aufnehmen. So wie immer.«
»Kann ich Birdie morgen abholen? Ich bin seit sechs auf und wirklich erschöpft.«
»Ich habe gehört, daß Harry dir einen Besuch abgestattet hat.«
»Das ist es nicht«, blaffte ich. Meine Schwester war immer ein Zankapfel zwischen mir und Pete gewesen.
»He, immer mit der Ruhe. Wie geht’s ihr denn?«
»Großartig.«
»Morgen ist mir recht. Wann?«
»Es ist mein erster Tag hier, also komme ich vermutlich spät weg. Wahrscheinlich sechs oder sieben.«
»Kein Problem. Komm nach sieben, und ich mach dir war zu essen.«
»Ich –«
»Wegen Birdie. Er muß sehen, daß wir noch immer Freunde sind. Ich glaube, er hat das Gefühl, daß er an allem schuld ist.«
»Richtig.«
»Willst du vielleicht, daß er zu einem Tierpsychologen muß?«
Ich lächelte. Pete.
»Okay. Ich bring was mit.«
»Mir soll’s recht sein.«
Der nächste Tag war noch hektischer, als ich erwartet hatte. Ich stand um sechs auf und war um halb acht auf dem Campus. Um neun hatte ich meine E-Mails und meine normale Post gelesen und meine Vorlesungsnotizen durchgesehen.
Da ich in meinen beiden Kursen Prüfungsarbeiten zurückgab, mußte ich meine Sprechstunde deutlich über die normale Zeit hinaus verlängern. Einige Studenten wollten über ihre Noten reden, andere baten um Nachsicht, weil sie den Test verpaßt hatten. Verwandte sterben immer zu Prüfungszeiten, oder andere persönliche Krisen machen den Kandidaten eine Teilnahme unmöglich. Auch diesmal war es so gewesen.
Um vier nahm ich an einer Sitzung des Lehrplanausschusses teil, in der wir neunzig Minuten darüber diskutierten, ob die philosophische Abteilung den Namen eines Hauptseminars über Thomas von Aquin ändern sollte. Als ich in mein Büro zurückkehrte, blinkte mein Anrufbeantworter. Zwei Nachrichten.
Noch ein Student mit einer toten Tante. Und eine Botschaft des Sicherheitsdienstes, in der vor Einbrüchen im Biologiegebäude gewarnt wurde.
Als nächstes suchte ich Diagramme, Greifzirkel und Gipsabdrücke zusammen und stellte eine Liste mit Materialien auf, die meine Assistentin für eine Laborübung am nächsten Tag herrichten sollte. Dann verbrachte ich eine Stunde im Labor und kontrollierte die Demonstrationsobjekte, die ich für diese Übung vorbereitet hatte.
Um sechs verschloß ich alle Schränke und die Tür zum Labor. Die Korridore des Colvard Building waren leer und still, aber als ich auf den Gang zu meinem Büro einbog, sah ich eine junge Frau an meiner Tür lehnen.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Beim Klang meiner Stimme
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