Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
ergiebig.
Weder Machado noch Luke haben den Fall so ernst genommen, wie mir lieb wäre, weil er ihnen so offensichtlich erschien.
»Bei diesem Alkoholpegel war er wohl nicht mehr in der Lage, sich gegen einen Angreifer zu verteidigen«, betone ich. »Außerdem hätte er stark geblutet, wenn er eine Leberzirrhose hatte. Ich habe mir den Autopsiebericht noch nicht richtig angesehen, aber das kommt noch.«
»Er hat seine monatliche Rente mehr oder weniger versoffen und deshalb jede Möglichkeit genutzt, sich etwas dazuzuverdienen«, sagt Machado. »Das ganze Haus war voller Müllsäcke. Sonst war alles leer, nur diese Säcke, wie bei einem Messie. Gefüllt mit Dosen und Flaschen, die er offenbar gesammelt hat, um das Pfand zu kassieren. Wahrscheinlich hat er den Müll durchwühlt und sie sich aus den Tonnen geholt, die die Leute an die Straße stellen.«
Der Scheck ist auf den 1 . Juni datiert. Ich erkläre Machado, dass Peggy Stanton meiner Ansicht nach da sicher nicht mehr am Leben gewesen ist.
»Und wenn doch«, füge ich hinzu, »war sie nicht in ihren Haus, denn das wurde laut Sicherheitsfirma zuletzt am 29 . April betreten.«
»Offenbar hat jemand genug über sie in Erfahrung gebracht, um sich als sie ausgeben zu können. Wahrscheinlich hat er ihr ein paar Blankoschecks gestohlen und sich ihre Geheimzahl für den Geldautomaten beschafft, denn es wurde etwas abgehoben. Keine ungewöhnlich hohen Summen, sondern nur so viel, dass der Eindruck entstand, sie sei lebendig und wohlauf. Außerdem kannte er den Code ihrer Alarmanlage und vielleicht noch mehr. Haben Sie Folterspuren entdeckt?«, fragt er, als sich die Aufzugtür endlich öffnet.
»Die Leiche wies einige seltsame braune Verfärbungen auf, die ich mir nicht erklären kann.« Ich beschreibe sie. »Allerdings keine offensichtlichen Verletzungen oder etwas, bei dem ich sofort an Folter denken würde. Doch das muss nichts heißen.«
»Wahrscheinlich hat er ihr eine Scheißangst eingejagt, worauf sie ihm gesagt hat, was er hören wollte, weil sie geglaubt hat, dass er ihr dann nichts tut.«
»Haben Sie mit Howard Roths Frau gesprochen?«
»Gestern. Sie war hier und hat ihn anhand eines Fotos identifiziert. Ich habe kurz mit ihr gesprochen und sie auf der Fahrt hierher noch einmal angerufen. Offenbar war er in Cambridge bekannt wie ein bunter Hund. Ich glaube, ich habe ihn auch schon auf der Straße gesehen, und einige meiner Kollegen kennen ihn. Er hat alle möglichen Aushilfsarbeiten erledigt. Ein recht ordentlicher Handwerker und laut Aussage seiner Ex ehrlich und harmlos. Sie hat nur seine Trinkerei nicht mehr ausgehalten«, erwidert Machado. »Kein Auto. Führerschein abgelaufen. Ein wirklich trauriger Fall.«
Ich gebe ihm den Beutel zurück, und er bestätigt mir, dass die personalisierten Schecks und die Scheckbücher in Peggy Stantons Haus ganz genau so aussehen.
»Mir ist noch etwas Interessantes aufgefallen«, fügt er hinzu. »Sie hat alle Kontoauszüge zusammen mit den Durchschlägen der Schecks in einer Schublade aufbewahrt. Sie reichten viele Jahre zurück, doch im April war plötzlich Schluss.«
»Weil jemand ihre Post abgefangen hat.« Wir steigen im sechsten Stock aus, wo Toby sich mit einem Rollwagen voller Kartons abmüht. »Wollen Sie andeuten, dass Howard Roth sie umgebracht hat?«
»Man sollte jede Möglichkeit in Erwägung ziehen. Allerdings finde ich es nicht sehr wahrscheinlich, dass er etwas damit zu tun hatte.«
»Er hatte etwas damit zu tun, wenn auch ohne es zu ahnen«, entgegne ich, während wir den Flur entlang in Richtung Computerlabor gehen. »Haben Sie ewig die Aufzugtür blockiert?«, frage ich Toby, als wir ihn eingeholt haben.
»Tut mir leid. Ein Rad klemmt, und als ich den Wagen rausschieben wollte, ist das ganze Ding umgekippt.«
»Ich dachte, Sie hätten heute frei.«
»Nun, da Marino nicht hier ist, dachte ich, sollte ich besser zur Arbeit kommen.« Er weicht meinem Blick aus, und ich stelle fest, dass die Kartons Computerzubehör enthalten.
Machado und ich gehen weiter. »Es ist sehr vielsagend, dass sie dreizehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes noch seinen Namen benutzt«, merke ich an.
Toby schiebt den Wagen hinter uns her. Immer wieder muss er stehenbleiben, um das Rad geradezurücken.
»Vielleicht sollte niemand wissen, dass sie allein lebt«, mutmaßt Machado. »Meine Freundin ist auch so. Auf ihren Schecks steht weder ihre Adresse noch ihre Telefonnummer. Sie will ihre Daten nicht herumposaunen,
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