Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
damit nicht plötzlich irgendwelche fremden Leute bei ihr auf der Matte stehen. Seit sie mich kennt und ich ihr erzählt habe, was so alles passieren kann, ist sie ein bisschen paranoid.«
»Warum, glauben Sie, hat er den Scheck nicht eingelöst? Nach Ihrer Schilderung zu urteilen, hat er doch jeden Penny gebraucht.«
»Ich wette, er hat es versucht, und es hat nicht geklappt«, erwidert Machado. »Er war ein Hilfsarbeiter, der sich in Cambridge herumgetrieben und Flaschen und Dosen gesammelt und alle möglichen Jobs erledigt hat.«
Wir treten in Lucys offenes Büro. Sie sitzt, umringt von großen Flachbildschirmen, an ihrem Schreibtisch. Toby folgt uns mit dem Wagen und fängt an, die Kartons an der Wand zu stapeln.
»Wo genau wollen Sie die Dinger haben?«, fragt er sie.
»Stellen Sie sie einfach irgendwohin.« Es klingt wie ein Befehl, und sie sieht ihn finster an.
»Er hat Laub gerecht, sonstige Gartenarbeiten gemacht, Reparaturen am Haus durchgeführt und sich sogar ein wenig als Elektriker betätigt, obwohl er laut Aussage seiner Ex keine Ausbildung hatte. Wahrscheinlich hat er die Kohle bar auf die Kralle gekriegt«, meint Machado.
»Er hat sicher keine Rechnungen gestellt«, antworte ich.
»Bei ihm zu Hause waren jedenfalls keine.«
»Warum hat sie Howard Roth also Geld geschuldet, anstatt ihn sofort nach Abschluss der Arbeit zu bezahlen? War er vielleicht nicht fertig geworden?«, frage ich.
»Ich glaube, ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, sagt Machado. »Die Installation im Keller. Da war noch nichts angeschlossen. Möglicherweise hat er ein paarmal vorbeigeschaut, um weiterzumachen, und niemand kam an die Tür. Und da könnte er ihr einen Zettel in den Briefkasten geworfen haben.«
»Könnte.«
»Und deshalb hat ihm der Mensch, der sich für sie ausgegeben hat, einen Scheck geschickt. Also muss der Täter seine Adresse gehabt haben.« Während Machado mit mir spricht, sieht er Lucy an.
»Howard Roth, zweiundvierzig, verstorben am Wochenende in seinem Haus im Zentrum von Cambridge«, liest sie aus dem Internet vor. »Bateman Street. Das kann man googeln.«
»Dann ist er so an die Adresse gekommen und hat ihm den Scheck mit der Post geschickt«, erwidert Machado. »Allerdings hat er kein Konto bei Peggy Stantons Bank und auch nicht unbedingt das Auftreten, das eine Kassiererin motivieren könnte, ihm hundert Dollar in die Hand zu drücken.«
»Sicher hat ihre Bank ihre Unterschrift in den Akten, und die Fälschung ist nicht überragend.« Ich setze mich neben Lucy.
»Da stimme ich dir zu.«
Machado holt sich einen Stuhl und öffnet seinen Aktenkoffer.
»Könnten Sie die Unterschriften mal nebeneinanderlegen?«
Er fördert zwei Plastikbeutel zutage. Toby lässt sich Zeit.
»Also hat ein Kassierer ihre Unterschriftenkarte herausgesucht, ist argwöhnisch geworden und hat den Scheck nicht eingelöst. Außerdem hat er sich mit einem abgelaufenen Führerschein ausgewiesen. Deshalb wahrscheinlich die Anrufe der Bank«, erklärt Machado. »Auf ihrem Anrufbeantworter sind mehrere Nachrichten von Wells Fargo, in denen um Rückruf gebeten wird. Die erste Anfang Juni, als Howie den Scheck mit der Post gekriegt hat.«
»Woher wissen Sie, dass er mit der Post verschickt wurde?« Lucy überfliegt die über ihre Bildschirme laufenden Informationen, offenbar die Daten, die ihre Suchmaschinen gefunden haben.
Allerdings kann ich nichts erkennen. Ich verstehe nicht, was ich da sehe, was Absicht ist, weil wir nicht allein sind.
»Das ist das Ergebnis logischer Schlussfolgerungen«, entgegnet Machado. Dabei mustert er meine Nichte, als hätte er Lust, sie näher kennenzulernen.
Sie trägt eine ausgewaschene Jeans, ein enganliegendes, langärmeliges weißes T-Shirt, das gebügelt werden müsste, und Kampfstiefel. Als sie die Funkmaus bedient, fällt mir wieder der große Siegelring an ihrem Zeigefinger auf. Ich rieche ihr Parfüm. Außerdem merke ich ihr an, dass sie gern mit mir allein wäre, weil sie etwas Wichtiges auf dem Herzen hat.
»Wenn ihr jemand die Identität gestohlen hat«, fährt Machado fort, »wird dieser Mensch bestimmt nicht bei Howie vorbeigeschaut haben, um ihm einen Scheck zu überreichen, oder? Ihn mit der Post zu schicken, ist die sicherste Methode. Meiner Vermutung nach hat unser Unbekannter das auch mit ihren anderen Rechnungen gemacht. Er hat die Unterschrift gefälscht und sie dann mit der Post verschickt. Die Bank hat sicher nicht an der Echtheit von Schecks gezweifelt, die
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