Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Ernies Stimme in meinem drahtlosen Ohrhörer wider, während ich aussteige. »Die Person, die das Boot gestrichen hat, hat sich einen Scheißdreck dafür interessiert, warum das Zeug verboten ist.«
Ich hole Tatortkoffer aus dem Kofferraum.
»Offenbar hat dieser Mensch einfach Schichten von Grundierung und rotem Lack über den ursprünglichen schwarzen Anstrich geschmiert, was jedoch nicht verhindert, dass weiter TBTO ins Wasser abgegeben wird«, fügt Ernie hinzu, und ich denke an Lucys Worte.
Channing Lotts Spedition hat ein Preisgeld von einhunderttausend Dollar für umweltfreundliche Lösungen ausgesetzt. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass einer seiner Tanker mit einem gefährlichen Umweltgift gestrichen ist. Auch nicht eines der anderen Boote in seinem Besitz und ganz sicher nicht seine Yacht, die manchmal im Hafen von Boston liegt.
»Es könnte alles Mögliche sein«, meint Benton, nachdem ich ihm davon erzählt habe. Wir gehen die verwitterten Holzstufen von Howard Roths Dreizimmerhäuschen hinauf, das eher einen ärmlichen als einen vernachlässigten Eindruck macht. »Jedes x-beliebige Boot oder ein in der Schifffahrt verwendeter Gegenstand, der irgendwann einmal mit so einem Schutzanstrich ausgestattet wurde, alles von einer Boje bis hin zu einem Steg oder einem U-Boot. Und dann wurde es überstrichen.«
»Ich bezweifle, dass jemand ein U-Boot rot lackieren würde.« Ich bemerke einen zusammengerollten Schlauch an einem Wasserhahn und frage mich, wofür Howard Roth ihn wohl benutzt hat.
Hier gibt es nämlich weder einen Rasen noch sonst etwas, was gegossen werden müsste, und er besaß kein Auto.
»Wahrscheinlich haben wir es mit der Unterseite eines Bootes und möglicherweise einer Schraube zu tun, die mit Grundierung überstrichen und dann mit einer roten Schutzschicht lackiert wurden, und zwar einer umweltfreundlichen und legalen.« Wir ziehen Handschuhe und Überschuhe an. Dann öffne ich die verrostete Fliegengittertür.
Sil Machado erwartet uns auf einer Veranda, wo sich offene schwarze Müllsäcke türmen. Sie quellen von Dosen und Flaschen über. Einige Einkaufswagen sind ebenfalls mit Säcken gefüllt, und weitere stapeln sich auf der Sitzbank einer Hollywoodschaukel aus Metall. Ich frage mich, wie Howard Roth sein Leergut wohl zu einer Annahmestelle gebracht hat, und erkundige mich bei Machado danach.
»Die nächste ist in der Webster Avenue.« Er schließt die Tür mit einem Schüssel auf, an dem ein Asservatenetikett befestigt ist. »Ich glaube, sein Kumpel aus dem Fayth House hat ihn hingefahren. Jerry, der Haustechniker, der ihn gefunden hat.«
Er lässt uns herein, bleibt aber draußen, weil ich alles einsprühen muss, nur für den Fall, dass irgendwo mit dem bloßen Auge nicht sichtbare Blutspuren sind. Es ist nämlich ziemlich eng im Haus. Machado erklärt mir durch die offene Tür, dass Roths Freund, vielleicht sein einziger, wegen Alkohols am Steuer den Führerschein verloren hat.
»Das hat er mir am Sonntagnachmittag erzählt, als ich auf seinen Notruf hin herkam. Er sagte, er habe Howie helfen wollen, den ganzen Kram abzugeben, sobald er den Lappen zurückhat.«
»Wann sollte es denn so weit sein?«, fragt Benton. Wir stehen auf der Schwelle und ziehen Schutzkleidung an. »Wann sollte er den Führerschein wiederbekommen, damit er ihn herumfahren kann?«
»Da es das erste Mal war, wurde der Führerschein nur für ein Jahr einkassiert«, erwidert Machado. »In drei Monaten kriegt er ihn zurück. Er meinte, er habe Howie gebeten, mit dem Sammeln eine Pause zu machen, damit nicht noch der Fußboden durchbricht. Aber der ist trotzdem weiter jeden Tag losgezogen und hat die Mülleimer durchwühlt. Keine Ahnung, wie viel dieses Zeug wert ist. Vielleicht ein paar Dollar pro Sack? Genug für einen Liter von dem Fusel, den er getrunken hat.«
Ich kauere neben einem offenen Tatortkoffer, hole die Sprühflasche mit dem LCV und die Kamera heraus und lasse zuerst einmal meine Umgebung auf mich wirken. Wohnzimmer und Küche sind ein einziger mit einem Resopaltresen unterteilter Raum. An einer Wand steht ein alter Fernseher und davor ein mit braunem Kunstleder bezogener Fernsehsessel, offenbar die einzige freie Sitzgelegenheit hier.
Die Couchgarnitur sowie der dazugehörige Tisch sind nämlich ebenfalls voller Säcke mit Dosen und Flaschen aus Glas und Plastik. Allmählich kann ich nachvollziehen, wie Machado zu seinen Schlussfolgerungen gelangt ist. Ich weiß nur zu gut, wie man
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