Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
und führt eine Art kranker Beziehung mit ihnen«, erkläre ich.
»Nekrophilie?«
»Bei Peggy Stanton weist nichts darauf hin, doch hundertprozentig ausschließen kann ich es nicht. Allerdings bezweifle ich es, offen gestanden. Doch wenn Mildred Lott sein erstes Opfer war, hängt er offenbar mehr an der Person, die sie für ihn symbolisiert, als an den anderen. Vielleicht war es in ihrem Fall persönlicher. Aber das heißt nicht, dass sein Interesse sexueller Natur ist. Benton glaubt, ihm ginge es darum, seine Opfer zu demütigen, Macht über sie auszuüben und sie zu vernichten.«
»Sie ist etwa sechs Wochen vor dieser Frau hier verschwunden.« Phillis meint Peggy Stanton. »Wissen wir von anderen vermissten Frauen, die sich noch früher in Luft aufgelöst haben?«
»Es werden ständig Menschen als vermisst gemeldet. Allerdings kenne ich keinen ähnlich gelagerten Fall. Wenn Mildred Lott sein erstes Opfer war, hat er offenbar stärkere Gefühle und Phantasien mit ihr verbunden«, wiederhole ich mit Nachdruck, weil ich denke, dass sie der Schlüssel zu diesem Rätsel ist. »Sie könnte etwas anderes für ihn symbolisieren, einen höheren Wert.«
»Eine prominente Milliardärsgattin hat einen ziemlich hohen Wert.«
»Möglicherweise ist das nicht der Grund. Vielleicht hat er sie sich gar nicht wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihres Reichtums ausgesucht. Es hat vermutlich eher etwas damit zu tun, wofür sie steht und was das in ihm ausgelöst hat«, entgegne ich. Eigentlich sollte ich mich jetzt um das FBI in meinem Konferenzraum kümmern. Ich bin schon viel zu spät dran.
Allerdings habe ich im Moment wichtigere Sorgen. Der Mord an Howard Roth mag nur ein Nebenprodukt gewesen sein, wie Benton glaubt. Gleichwohl war er auch unklug. Impulsiv. Und vermutlich überflüssig. Ich habe die Befürchtung, dass er eine Ankündigung dessen ist, was uns noch bevorsteht. Jeder, der dem Mörder Steine in den Weg legt, könnte der Nächste sein.
»Wenn Mildred Lott sein erstes Opfer war, steht für mich fest, dass sie ihm etwas bedeutet hat. Dass da eine enge Verbindung besteht«, beharre ich. »Und das könnte der Grund sein, warum die Leiche bis jetzt nicht gefunden wurde. Er könnte sie noch haben.«
»Ob er ihnen etwas ins Essen oder ins Getränk getan hat?«, überlegt Phillis laut. »Nehmen wir einmal an, sie hat den Täter in einem Restaurant oder sonst wo in der Öffentlichkeit getroffen.« Sie spricht von Peggy Stanton. »Vielleicht kennt sie ihn ja aus dem Internet. Craigslist, Facebook, Google Plus. Oder von einer dieser Datingseiten, vor denen ich meine Kinder immer warne.«
»Das bezweifle ich eher«, antworte ich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Peggy Stanton, oder auch Mildred Lott, sich mit wildfremden Leuten aus dem Internet verabredet hat. Aber wir sollten sie sicherheitshalber auf Rohypnol, 4 -Hydroxybutansäure und Ketaminhydrochlorid untersuchen«, gehe ich die Liste der Drogen durch, die Vergewaltiger gern verwenden, um ihre Opfer gefügig zu machen. Dennoch bin ich der Ansicht, dass der Täter immer mit derselben Methode vorgeht, und zu der gehört eindeutig nicht, sich mit der Person, die er auf seinem Gewaltradar hat, zu verabreden oder sonstigen Kontakt mit ihr zu pflegen.
Mildred Lott war eine dominante und selbstbewusste, aber dennoch ausgesprochen argwöhnische Frau und zudem ziemlich groß und durchtrainiert. Sie hätte es einem Entführer sicher nicht leichtgemacht, sie zu verschleppen. Außerdem ist ihr Mann felsenfest überzeugt davon, dass sie sich gegen einen Angreifer gewehrt hätte.
Nachdem ich seine Beteuerungen gehört habe, und auch angesichts dessen, was ich über Peggy Stanton weiß, bin ich sicher, dass der Täter eine ganz bestimmte Methode hat, seine Opfer außer Gefecht zu setzen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach verwendet er immer dieselbe. Ich glaube nicht, dass diese Frauen ihn aus freien Stücken irgendwohin begleitet haben. Meiner Ansicht nach wurden sie überrumpelt und gekidnappt.
»Irgendeine Sorte Poppers oder Dämpfe, die man aus Tüten schnüffelt«, zähle ich die Substanzen auf, die unserer Erfahrung nach häufig missbraucht werden. »Aromatische oder aliphatische Kohlenwasserstoffe, Lösungsmittel, wie man sie in Magic Markers, Leim, Klebstoff, Verdünnern, Propan, Butan oder den in flüssigen Putzmitteln enthaltenen Haloalkanen findet. Allerdings ist es vermutlich schwierig, damit jemanden zu betäuben, um ihn zu entführen.«
»Es gibt eine
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