Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
gefärbte Holzschnitze zu treten, die sich in ihre Fußsohlen eingegraben haben. Ich denke an den Inhalt ihres Schranks und ihrer Kommode.
Die ordentlich gefalteten Kleidungsstücke auf den Bügeln und in den Regalen und Schubladen. Stoffhosen, Hosenanzüge, Pullover und Blusen, alles alt und aus der Mode. Keine einzige Strumpfhose, und dennoch hat ihre Leiche eine zerrissene Strumpfhose getragen. Ich male mir aus, wie sie in einem Albtraum aufgewacht ist. In einem Gefängnis, wo der Täter nicht die geringste Furcht vor Entdeckung haben musste und mit ihr machen konnte, was er wollte.
Ich frage mich, ob er sie zu diesem Zeitpunkt schon mit Strumpfhose, Rock und einer Jacke mit antiken Knöpfen ausstaffiert hatte. Ist sie in Sachen aufgewacht, die ihr weder gehörten noch passten? Oder hat er sie gezwungen, sich zu kostümieren, weil das eine Bedeutung für ihn hatte? Vielleicht stammten die Kleidungsstücke ja sogar von der Person, gegen die sich sein Hass eigentlich richtet.
Peggy Stanton hatte eine Reihe von Blutergüssen am rechten Oberarm, die von Fingerspitzen herzurühren schienen. Ich denke an Lukes Vermutung, dass sie ihr nicht durch die Kleidung zugefügt wurden, sondern von jemandem, der ihre nackte Haut berührt hat. Er vertrat die Theorie, der Täter habe sie eingeschüchtert und gedemütigt, indem er sie nackt auszog, so wie man Kriegsgefangene foltert. Doch ich glaube das nicht.
Ich denke nicht, dass der Mörder sie nackt sehen wollte. Sie sollte sich für die Rolle verkleiden, die sie spielen musste, um seinen Sadismus zu befriedigen. Und Monate später, als sie schon tot und ausgetrocknet war, hat er Kleidung und Schmuck so arrangiert, dass sie beim Versenken in der Bucht nicht von ihrer mumifizierten Leiche rutschten. Das erkläre ich Ernie Koppel, als ich weiter übers Telefon die Labors abklappere.
»Ich muss ausschließen, dass sie beim Verlassen des Hauses diese Sachen trug«, sage ich. »Wenn möglich, hätte ich gern eine Antwort darauf. Eine üble Angelegenheit, Ernie.«
»Ich weiß.«
»Und ich setze alle unter Druck.«
»Aber nein, überhaupt nicht!«, sagt er sarkastisch.
Ich frage ihn nach den in Peggy Stantons Mercedes sichergestellten Fasern und füge hinzu, ich hätte in ihrem Haus keine Kleidungsstücke entdeckt, die den Sachen ähneln, die sie bei ihrer Bergung aus dem Wasser am Leibe hatte.
»Keine Ahnung, ob Sie schon dazu gekommen sind«, füge ich hinzu, um ihm zu zeigen, dass ich mir meiner Forderungshaltung und dem ständigen Zeitdruck sehr wohl bewusst bin. »Könnten die Fasern aus dem Auto von ihrer Kleidung stammen? War sie vielleicht aus irgendeinem Ausnahmegrund so angezogen, als sie am 27 . April das Haus verließ?«
Insbesondere interessiert mich, ob die Fasern vom Fußboden, den Sitzen und aus dem Kofferraum von der Tallulah-Jacke aus dunkelblauem Wollstoff, dem grauen Wollrock und der violetten Seidenbluse herrühren. Ernie verneint.
»Teppichfasern. Synthetisch«, erwidert er und kommt dann auf die Holzsplitter zu sprechen, die er für Mulch gehalten hat.
»Es ist keiner«, verkündet er. »Das bedeutet allerdings nicht, dass ich weiß, wofür man das Zeug benutzt. Jedenfalls ist es nicht das Ergebnis dessen, dass jemand Holz oder Rinde in einen Häcksler gesteckt und anschließend mit Farbe eingesprüht hat.«
Er fügt hinzu, er habe die im Fahrerbereich des Mercedes sichergestellten Rückstände mit Hilfe von Gaschromatographie-Massenspektrometrie untersucht. Die roten Holzsplitter haben ein spezifisches zyklisches Polyalkoholprofil, das mit dem der Amerikanischen Weißeiche übereinstimmt.
»Es zeichnet sich durch einen starken Deoxyinositolgehalt aus, insbesondere Proto-Quericol«, erklärt er. »Eine sehr interessante Methode, um die botanische Herkunft von Hölzern zu ermitteln, die zur Reifung von Weinen und Spirituosen eingesetzt werden. Vermutlich um die Authentizität zu garantieren. Sie wissen ja, Winzer oder Weinhändler behaupten, ein Rotwein wäre in französischen Eichenfässern gelagert worden, doch das GC - MS sagt, nein, nichts da! Die Reifung fand in Fässern aus Amerikanischer Weißeiche statt. Und so müssen Sie kein Vermögen für einen angeblichen Bordeaux Premier Grand Cru hinblättern. Das ist eine Wissenschaft für sich, und Sie können sich bestimmt denken, warum ein Händler versucht, einen jungen Wein als Lagerwein zu verkaufen.«
»Bordeaux?«, wundere ich mich. »Was hat unser Fall denn mit Wein zu tun?«
»Die
Weitere Kostenlose Bücher