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Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Titel: Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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betritt. Vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, aber sie scheint zu lächeln.
    »Sie können es also auch nicht bestreiten?«, hakt Steward nach. »Das wäre nämlich gut, wenn Sie das könnten.«
    »Ich habe mir die Leiche noch kaum angesehen. Und ich habe sie nicht obduziert. Derzeit habe ich keine Ahnung, wer sie ist. Doch auf den ersten Blick habe ich keine Narben von chirurgischen Eingriffen wie Brustvergrößerung, Fettabsaugung oder Gesichtslifting entdeckt, und uns ist bekannt, dass sie sich diesen Operationen unterzogen hat. Soweit ich unter den gegebenen Umständen feststellen konnte, besteht keine Ähnlichkeit.« Ich füge nicht hinzu, in welchem Zustand sich die Leiche befindet.
    »Was für Umstände meinen Sie genau?«, fragt er.
    »Den Umstand, dass meine Zeit nur für eine oberflächliche Untersuchung gereicht hat, bevor ich hierherhetzen musste.«
    »Was ist mit Alter und Haarfarbe?«
    »Ihr Haar ist nicht platinblond gefärbt, sondern naturweiß«, erwidere ich.
    »Wissen wir, ob Mildred Lotts Haar gefärbt war?«
    »Wir wissen gar nichts.«
    »Und ihre Kleidung? Ihre persönliche Habe, zum Beispiel Ehering, Verlobungsring und ein antikes Amulett, die Mildred Lott ständig trug, also auch vermutlich zum Zeitpunkt ihres Verschwindens?«
    »Ich habe nichts Derartiges festgestellt.«
    »Schon eine Theorie, wann die Frau in Ihrem neuesten Fall gestorben ist und woran?«
    »Ich werde mich nicht dazu drängen lassen, Aussagen zu einer Leiche zu machen, die ich noch nicht einmal obduziert habe, Dan«, entgegne ich und kann mir einen leicht trotzigen Unterton nicht verkneifen.
    »Hey, die Frage ist doch wohl eher, was Jills Kumpel Richter Conry zulässt.«
    »Ihr
Kumpel

    »Sie wissen schon. Gerüchte. Ich werde sie nicht wiederholen.« Steward schaut auf die Uhr. »Am besten gehe ich wieder rein.«
    Ich warte, bis alle im Gerichtssaal sind, stehe allein zwischen der inneren und der äußeren Holztür und lausche der kräftigen Stimme des Gerichtsdieners, der alle auffordert, sich wegen des eintretenden Richters zu erheben. Menschen stehen geräuschvoll auf und setzen sich wieder, der Hammer schlägt auf die Richterbank, und die Verhandlung ist wieder eröffnet. Im nächsten Moment spricht eine herrische Frauenstimme, die Stimme von Jill Donoghue, in ein Mikrofon und verkündet, dass sie mich als nächste Zeugin aufruft.
    Die Tür vor mir öffnet sich in einen Raum mit einer hohen Gewölbedecke, an der Kronleuchter aus Alabaster hängen. Die Anwälte sitzen an ihren Tischen, die Zuschauer drängen sich in Bankreihen, und Richter Joseph Conry, der eine schwarze Robe trägt, thront majestätisch auf einer erhöhten Richterbank. In Leder gebundene Gesetzestexte bilden den Hintergrund. Ich spüre seine Macht durch den ganzen Gerichtssaal hinweg, als ich dem grauen Teppich zum Zeugenstand folge, der sich direkt gegenüber der Geschworenenbank befindet.
    »Dr. Scarpetta«, bringt der Richter mich zum Stehen, obwohl uns noch gefühlte Kilometer trennen. »Sie hätten vor einer Stunde und fünfzehn Minuten hier sein sollen.«
    »Ja, Euer Ehren«, erwidere ich mit der gebotenen Zerknirschtheit, sehe ihn an und weiche dem Blick von Jill Donoghue aus, die links von mir an einem Rednerpult steht. »Und ich entschuldige mich vielmals.«
    »Warum kommen Sie zu spät?«
    Ich weiß, dass er den Grund kennt, antworte aber trotzdem. »Ich war an einem Leichenfundort einige Kilometer südlich von hier in der Massachusetts Bay, Euer Ehren. Die Leiche einer Frau musste geborgen werden.«
    »Also haben Sie gearbeitet?«
    »Ja, Euer Ehren.« Ich spüre, wie Blicke mich durchbohren. Im Gerichtssaal ist es so still wie in einer menschenleeren Kathedrale.
    »Nun, Dr. Scarpetta, ich war heute Morgen um neun hier, wie es von mir erwartet wird, um meine Pflicht zu tun.« Er verhält sich ungnädig und abweisend, also ganz und gar nicht wie der Mann, den ich von Amtseinführungen, Abschiedsfeiern, der Enthüllung von Richterporträts und den zahlreichen Empfängen der Anwaltskammer her kenne, die ich schon besucht habe.
    Joseph Conry, dessen Name häufig mit dem des englischen Romanautors Joseph Conrad verwechselt wird, ist ein auffällig attraktiver Mann, hochgewachsen mit pechschwarzem Haar und durchdringenden blauen Augen.
Der düstere irische Richter mit dem schwarzen Herzen,
so hat man ihn auch schon genannt. Er ist ein sachlicher und brillanter Jurist und hat mich bis jetzt stets freundlich und respektvoll behandelt. Ich

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