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Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Titel: Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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doppelflügeligen Holztüren. Ich schlängle mich durch Menschen, einige von ihnen Anwälte, die ich kenne. Sie warten hier auf ihre Aussage, besprechen sich oder stehen einfach nur herum. Als ich Saal 17 erreiche, kommt Dan Steward gerade heraus.
    »Es tut mir wirklich leid«, setze ich an, als er mich mit einer Handbewegung auffordert, ihm in eine abseits gelegene Ecke zu folgen, wo der Flur unter einigen farbenprächtigen Gemälden endet.
    »Es ist mir gelungen, die Sache hinauszuzögern.« Er spricht übertrieben gedehnt und ist offenbar mächtig stolz auf sich. »Sie sind die letzte Zeugin. Wahrscheinlich werde ich Sie nicht ins Kreuzverhör zu nehmen brauchen.«
    »Haben beide Parteien die Beweisaufnahme tatsächlich abgeschlossen?« Für mich ist das zeitliche Zusammentreffen ein seltsamer Zufall.
    Er beteuert, ich sei wirklich die letzte Zeugin, die die Geschworenen hören würden. Nein, ein Zufall ist es ganz sicher nicht, ganz gleich, wie sehr ich auch versuche, mir das Gegenteil einzureden.
    »Danach fangen wir mit den Schlussplädoyers an«, fährt Steward fort. »Hoffentlich werden wir heute fertig. Dann können die Geschworenen mit ihren Beratungen beginnen, bevor wir bis morgen Schluss machen. Die gute Nachricht ist, dass Sie keine Verzögerungen verursacht haben.« Er starrt auf meine Brüste. »Ich habe dem Richter gesagt, was los ist, und er wird Ihnen sicher Gelegenheit geben, die Sache zu erklären. Das heißt allerdings nicht, dass Ihnen die Standpauke erspart bleiben wird. Aber ohne meine Hilfe? Tja, ich glaube nicht, dass Jill sich für Sie verwendet hätte, obwohl Sie ja ihre Zeugin sind.«
    Er nimmt die Metallbrille ab und poliert sie mit einem Taschentuch. Sein Blick ist weiter auf meine Brust gerichtet; es ist eine Angewohnheit von ihm, sie ständig anzugaffen. Allerdings glaube ich nicht, dass er bestimmte Absichten damit verfolgt. Dan Steward ist nämlich alles andere als anzüglich oder vulgär. Er ist ein korrekter, aber unbeholfener Mann von Mitte dreißig, nicht sehr groß, mit einem überdimensionalen Kopf, aschblondem Haar und Pferdegebiss. Außerdem hat er einen schauderhaften Geschmack in Sachen Anzüge. Heute trägt er einen schlechtsitzenden aus hellbraunem Cord und dazu eine billige grüne Paisley-Krawatte, die zu lang und unmodern breit ist. Er wirkt stets hektisch und nervös. Ich habe gehört, dass er den Geschworenen auf die Nerven geht, und ich kann das gut nachvollziehen.
    »Aber sie weiß es«, erwidere ich. »Sie wird verstehen, warum ich zu spät komme.«
    »Na klar. Ihr Büro war so freundlich, sie anzurufen …«
    »Mein Büro?« Ich habe keine Ahnung, wen er meinen könnte.
    »Als wir vor ein paar Minuten Pause gemacht haben, hat sie erwähnt, sie wisse, dass Sie unterwegs sind.«
    Bryce hat Dan Steward informiert, doch ich kann mir nicht vorstellen, welcher meiner Mitarbeiter Jill Donoghue eine Nachricht hinterlassen haben soll. Schließlich ist ihre Vorladung der Grund, warum ich hier bin. Ich habe nicht persönlich mit ihr gesprochen. Das würde ich in einer Situation wie dieser niemals tun, da ich nichts Sachdienliches beizutragen habe. Hier geht es nur um meine körperliche Anwesenheit, damit sie mich schikanieren, die Geschworenen beeinflussen und ein großes Theater veranstalten kann.
    »Ich habe sie gebeten, es nicht an die große Glocke zu hängen«, fügt Steward hinzu. Und das, obwohl sich Donoghue vermutlich inzwischen mit dem Titel »meistgehasster Mensch auf Erden« schmücken dürfte.
    »Was gibt es da an die große Glocke zu hängen, wenn es meinetwegen keine Verspätung gegeben hat?«
    »Sicher ist Ihnen bekannt, was momentan in sämtlichen Nachrichtensendungen läuft, Kay.«
    »Die Leiche, die ich gerade geborgen habe, hat nichts mit dieser Sache zu tun, und ich kann und werde das jetzt ganz bestimmt nicht näher ausführen.« Ich möchte nicht ungeduldig oder arrogant klingen, aber ich habe die Spielchen vor Gericht so satt, die ich inzwischen nur noch als Zaubertricks bezeichne.
    Vielleicht würde der Ausdruck »völlige Desillusionierung« meine Gefühle besser in Worte fassen, denn was Strafverteidiger heutzutage so alles aus dem Hut zaubern, spottet jeder Beschreibung. Je unglaubwürdiger und weniger plausibel die Taktik, desto eher führt sie offenbar zum Erfolg. Ich stehe kurz davor, eine zynische Einstellung gegenüber einem System zu entwickeln, an das ich früher einmal geglaubt habe. Manchmal frage ich mich sogar, ob

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