Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
der Tür ist doch ein typischer Platz.«
»Doch wenn sie direkt aus der Garage kommt, geht sie ganz sicher nicht die Treppe hinauf bis nach vorn und auf die Veranda, vor allem nicht, wenn sie mit Einkaufstüten bepackt ist«, entgegne ich. »Es gibt einen Fußweg, der von der Garage zu einer Seitentür führt. Vermutlich die Küchentür.«
»Hing an dem Schlüsselring außer Autoschlüsseln und Kompass sonst noch etwas?«, fragt Benton. »Hausschlüssel? Garagenschlüssel?«
»Nein.«
»Was ist mit der Post?« Er späht zwar durch die Türen, betritt die Zimmer aber nicht. »Ich habe vorn einen Briefkasten bemerkt.«
»Leer.«
»Ließ sie sich die Post möglicherweise nachsenden?« Ich stelle die Schale wieder auf die polierte Platte des handgearbeiteten Tisches. Keine Minute lang glaube ich, dass Peggy Stanton den Schüssel zu ihrem Auto oder irgendeinen anderen im Flur aufbewahrt hat. »Wenn die Post nicht nachgesendet wurde, müsste ihr Briefkasten überquellen.«
»Nichts, nur ein paar Broschüren und Werbezettel«, erwidert Burke. »Also hatte jemand offenbar Gründe, den Briefkasten zu leeren.«
»Dieselbe Person, die ihre Rechnungen bezahlt und sich für sie ausgegeben hat«, stellt Benton fest, als sei er sich seiner Sache sicher. »Zuerst sollten wir die Garage untersuchen und mit Machado das Grundstück abgehen, damit Kay in Ruhe ihre Arbeit machen kann. Doug, vielleicht kannst du ihr ja alles zeigen.«
Er möchte mir zwar meine Ruhe lassen, weiß jedoch, dass ich mich nicht allein im Haus aufhalten darf. Ich versuche, mir einzureden, dass er nur die Vorschriften befolgt. Denn ich glaube nicht, dass er mich Douglas Burke in diesem Haus ans Messer liefern und ihr so die Möglichkeit geben will, so ganz locker und nebenbei die Ermittlungen an sich zu reißen. Doch das werde ich ohnehin zu verhindern wissen.
Ich hänge mir die Kamera um den Hals, greife nach meinem Tatortkoffer und teile ihr offiziell mit, dass ich bestimmte Bereiche des Hauses sehr sorgfältig untersuchen müsse. Es sei wichtig, dass sie die ganze Zeit bei mir bliebe. Ich würde weder Schubladen öffnen noch einen Blick in Hausapotheken oder Schränke werfen, wenn ich dafür keinen Zeugen hätte. Außerdem würde ich, wie ich ihr erkläre, keine Beweismittel sichern, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Leiche stehen.
Biologische Spuren und Medikamente zum Beispiel, erläutere ich ihr. Allerdings würde ich mir so weit wie möglich alles ansehen, immer ausgehend davon, dass meine Einschätzung hilfreich sei, ergänze ich.
»Klar, alles ist hilfreich«, antwortet sie. »Erledigen Sie das Fotografieren immer selbst?«
»Normalerweise nicht.«
»Wenn Marino nicht zur Verfügung steht, bringen Sie also keinen Ihrer anderen Ermittler mit? Wie viele haben Sie denn? Sechs, richtig?«
»Hierher würde ich weder Marino noch sonst jemanden mitnehmen«, erwidere ich. »Nicht unter diesen Umständen.«
Vierundzwanzig
Das Esszimmer links vom Eingang ist klein, mit pastellblauen Wänden. Stuck und Kanten sind weiß. Vor dem offenen Kamin stehen ein Mahagonitisch und sechs antike, mit dunkelrotem Samt bezogene Stühle.
In einer eingebauten Vitrine ist ein königsblaues Essservice mit Goldrand zu sehen, französisch-sächsisches Porzellan und ziemlich alt. Das antike Silberbesteck in seinen Holzkästen stammt ebenfalls aus Frankreich; die Besteckteile sind alle angelaufen. Die weißen Kerzen auf Tisch und Kaminsims sind noch nie angezündet worden. Die Topfpflanzen am mit Vorhängen versehenen Fenster sind längst eingegangen. Alles ist mit einer schätzungsweise monatealten Staubschicht bedeckt. Als ich den Lichtschalter an der Wand betätige, geschieht nichts. Die Birnen in Kronleuchter und Wandlampen sind durchgebrannt.
»Anscheinend sind sie nicht mit einer Zeitschaltuhr verbunden.« Ich suche Lichtschalter und Steckdosen nach Kabeln oder anderen Gerätschaften ab, mit denen Peggy Stanton ein Ein- und Ausschalten der Lichter hätte programmieren können. »Standen diese Lichtschalter auf an, als Sie kamen?«
»Ja.« Offenbar interessiert Burke sich mehr für ihr Mobiltelefon.
»Und Sie haben das auch so gelassen?«, hake ich nach, weil es wichtig ist.
»Wenn Birnen durchgebrannt sind, liegt das daran, dass der Mensch, der zuletzt im Haus war, das Licht nicht ausgemacht hat.« Sie fragt ihre Mails ab.
»Wahrscheinlich hat sie das Licht im Esszimmer angelassen, als sie zuletzt hier war. Oder jemand anders hat es getan.«
»Das
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