Knochenbrecher (German Edition)
ist. Er ist nicht nach Hause gekommen, seine Frau ist nach Greetsiel gefahren und hat ihn tot auf den Planken ihres Schiffes gefunden.«
»Wann war das, sagtest du?«
»Vor ziemlich genau einem Jahr«, antwortete Mona. »Warte, wir haben ja die Todesanzeige. Am 28. August. Also vor etwa mehr als einem Jahr. Sieh dir das an. Zweiundfünfzig ist der nur geworden.«
»Suhrmann? Das sind keine Greetsieler«, stellte Greven fest.
»Nein, die kommen aus Aurich«, wusste Mona. »Rita Suhrmann heißt sie. Hier steht es ja auch. Keine Kinder. Ich habe sie bei Aline einmal kennen gelernt. Groß und schlank, ein bisschen sehr affektiert. Das war aber vor dem Tod ihres Mannes.«
»Und das Schiff liegt hier?«
»Das hat Aline jedenfalls mal erzählt. Es muss ein altes Schiff sein, das sie selbst restauriert haben.«
»Die einmastige Tjalk«, sagte Greven.
»Du kennst das Schiff?«
»Kann man so nicht sagen, aber ich weiß, wo es liegt.«
»Das liegt schon lange hier. Mindestens ein Jahr«, schaltete sich Oma Janssen in das Gespräch ein. »Soweit ich weiß, ist es in dieser Zeit nur ein paar Mal ausgelaufen. Die Besitzerin kommt nur ab und zu, meistens am Wochenende.«
»Schlaganfall. Im August vor einem Jahr«, wiederholte Greven nachdenklich.
»Na, die kommt ja wohl kaum in Frage. Einen Schlaganfall haben die Bogenas bestimmt nicht zu verantworten. Außerdem wurden sie jetzt umgebracht und nicht vor einem Jahr. Sieh dir mal die Mappe von Frau Janssen an. Wenn überhaupt, suchst du nach einem aktuellen Fall. Du hast selbst gesagt, die Morde waren emotional motiviert.«
»Davon bin ich überzeugt«, grübelte Greven, »und trotzdem habe ich da so eine Ahnung. Haben Sie die Nummer von Dr. Weygand?«
»Die habe ich sogar im Kopf«, antwortete Frau Janssen, »wegen meiner Beine. 9991. Nehmen Sie mein Telefon.«
Greven wählte die Nummer und bearbeitete die Sprechstundenhilfe so lange, bis er verbunden wurde: »Ich weiß, Herr Dr. Weygand, ich weiß. Dennoch ist es wichtig, und es dauert auch nicht lange. Sie erwähnten doch einen Artikel von einem gewissen Hamann. Wissen Sie noch, wann der erschienen ist?«
Greven sah Mona an, die lautlos mit ihm sprach und mit ihrem Zeigefinger an ihre Stirn tippte. Oma Janssen strahlte.
»Ja?«, meldete sich Greven und hörte eine ganze Weile konzentriert zu. »Danke für die Auskunft, Herr Doktor, und entschuldigen Sie die Störung.«
»Du kannst doch während der Sprechstunde bei keinem Arzt anrufen!«, ermahnte ihn Mona, kaum hatte er den Hörer aufgelegt.
»Dieser Hamann ist ein Professor aus München«, erzählte Greven, ohne auf Monas Bemerkung einzugehen. »Zwei Tage vor Tante Heddas Ermordung ist im Spiegel ein Interview mit ihm erschienen, in dem er über Schlaganfälle berichtet, die sich als Folge einer unsachgemäßen chiropraktischen Behandlung ereignen. Wenn nämlich irgendein Gefäß am Hals verletzt wird, kann das diese Folgen haben. Genau krieg ich das nicht mehr zusammen. Seit ein paar Jahren sind sie dem auf der Spur, weil sich die Mediziner Schlaganfälle bei jungen und gesunden Menschen nicht erklären konnten. Die unsachgemäße chiropraktische Behandlung scheint die passende Erklärung zu sein.«
»Du meinst, Rita Suhrmann hat das Interview gelesen und dann Tante Hedda das Genick gebrochen? Weil sie ihr die Schuld am Tod ihres Mannes gegeben hat?«
»Genau das ergibt für mich einen Sinn«, sagte Greven. »Pass auf: Dieser Suhrmann muss bei Tante Hedda gewesen sein. Oder bei Almuth. Doch das wusste seine Frau nicht. Sie wusste nur von einer Knochenbrecherin namens Bogena. Sie hat das Interview gelesen, und plötzlich war nicht mehr das Schicksal am Tod ihres Mannes schuld, jedenfalls nicht in ihren Augen, sondern ein Mensch, ein Täter, ein Mörder: Tante Hedda, deren Haus dem Schiff gegenüber auf dem Deich steht. Sie hat nur noch die Schuld der alten Frau gesehen. Denn ob es da wirklich einen Zusammenhang gegeben hat, hätte nur durch eine Obduktion festgestellt werden können. Ihre tief sitzende Trauer ist in tödlichen Hass umgeschlagen. Sie ist zum Hexenhaus gegangen, hat ihr das Urteil verkündet und sie ermordet. Doch dann liest sie im Nachruf von Almuth. Es gibt also zwei Bogenas. Da sie nicht weiß, bei welcher ihr Mann in Behandlung war, bringt sie kurzerhand auch noch Almuth um. Wie hört sich das an?«
»Entsetzlich!«, antwortete Oma Janssen, ohne zu zögern.
»Das finde ich auch«, meinte Mona. »Alines beste Freundin eine
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