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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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setzte sich wieder und hielt sich mit derselben Anstrengung an der Armlehne fest, mit der er seine Fassung zu wahren versuchte.
    »Stehen Sie auf«, sagte er plötzlich zu mir.
    Ich schaffte es mühsam fast bis auf die Knie, aber der Rest war entmutigend, und ich dachte, warum um alles in der Welt sollte ich mir solche Mühe machen, also legte ich mich vorsichtig wieder hin. Es trug nicht dazu bei, das allgemeine Klima zu verbessern.
    »Stehen Sie auf«, sagte er wütend.
    Ich schloß die Augen. Es folgte ein scharfer Schlag auf meinen Oberschenkel. Ich öffnete die Augen gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie das Gummigesicht mit der amerikanischen Stimme zu einem neuen Tritt ausholte. Alles, was man sagen konnte, war, daß er Schuhe trug und keine Stiefel.
    »Hör auf damit.« Die scharfe Stimme ließ ihn mitten im Tritt innehalten. »Setz ihn einfach nur auf den Stuhl da.«
    Amerika-Gummigesicht zog besagten Stuhl herbei und stellte ihn dem Lehnstuhl gegenüber auf, zwei Meter davon entfernt. Viktorianische Epoche, Mitte, schätzte ich automatisch. Mahagoni. Hatte wahrscheinlich einmal eine Sitzfläche aus Rohrgeflecht, war aber jetzt mit einem rosagrundigen, geblümten, glänzenden Chintz bezogen. Die beiden Gummigesichter hoben mich gewaltsam hoch und drapierten mich so auf den Stuhl, daß meine gefesselten Handgelenke hinter der Rückenlehne hingen. Als sie damit fertig waren, traten sie zurück, genau so weit, daß sie einen Schritt hinter jeder meiner Schultern standen.
    Aus dieser Höhe hatte ich einen besseren Blick auf ihren Herrn, wenn nicht gar auf die ganze Situation.
    »Griffons Assistent«, wiederholte er. Aber diesmal war der Zorn verklungen. Er hatte den Fehler erkannt und überlegte jetzt, was er aus der Situation machen sollte.
    Er brauchte nicht lange.
    »Pistole«, sagte er, und Gummigesicht gab sie ihm.
    Er war korpulent und glatzköpfig, und ich vermutete, daß es ihm kein Vergnügen bereiten würde, alte Fotos von sich zu betrachten. Unter den gerundeten Wangen, dem schweren Kinn, den Falten der Augenlider lag eine feine Knochenstruktur. Sie trat immer noch in dem starken, klaren Höcker der Nase zutage und in den Bögen über den Augenhöhlen. Er verfügte über die Basisausrüstung eines gutaussehenden Mannes, aber er sah aus, dachte ich abstruserweise, wie ein vornehm vor die Hunde gegangener Cäsar. Und man hätte das Fett als Zeichen von Weichheit werten können, wäre da nicht die Härte gewesen, die unübersehbar aus seinen schmal gewordenen Augen blickte.
    »Schalldämpfer«, sagte er scharf. Er war voll Verachtung und gereizt, und seine gummigesichtigen Narren waren ihm ein offensichtlicher Greuel.
    Ein Gummigesicht zog einen Schalldämpfer aus seiner Hosentasche, und Cäsar begann, ihn aufzuschrauben. Schalldämpfer bedeuteten blutigen Ernst, wo nackte Läufe das vielleicht nicht taten. Er hatte die Absicht, den Fehler seiner Angestellten aus der Welt zu schaffen. Meine Zukunft sah entschiedenermaßen düster aus. Zeit für ein paar wohlgewählte Worte, vor allem, wenn sie sich als meine letzten erweisen sollten.
    »Ich bin nicht Griffons Assistent«, sagte ich. »Ich bin sein Sohn.«
    Er war fertig mit dem Aufschrauben des Schalldämpfers und machte sich daran, ihn auf meine Brust zu richten.
    »Ich bin Griffons Sohn«, wiederholte ich. »Und was genau soll das Ganze eigentlich?«
    Der Schalldämpfer erreichte den Breitengrad meines Herzens.
    »Wenn Sie mich töten«, sagte ich, »könnten Sie mir zumindest sagen, warum.«
    Meine Stimme klang mehr oder weniger normal. Er konnte, wie ich hoffte, nicht sehen, daß mir am ganzen Körper der Schweiß ausbrach.
    Eine Ewigkeit verstrich. Ich starrte ihn an. Er starrte zurück. Ich wartete. Wartete, während die Zahnräder in seinem Gehirn ineinandergriffen: Wartete darauf, daß ein Daumen nach dem anderen nach unten zeigte, klick, klick, klick, wie bei einem Spielautomaten, der mit drei Nieten das Aus verkündet.
    Schließlich sagte er, ohne die Pistole einen Millimeter zu senken: »Wo ist Ihr Vater?«
    »Im Krankenhaus.«
    Neuerliche Pause.
    »Wie lange wird er dort bleiben?«
    »Das weiß ich nicht. Zwei oder drei Monate vielleicht.«
    »Wird er sterben?«
    »Nein.«
    »Was ist los mit ihm?«
    »Er hatte einen Autounfall. Vor einer Woche. Hat sich ein Bein gebrochen.«
    Wieder Pause. Die Waffe rührte sich immer noch nicht. Niemand, dachte ich wild, sollte so unfair sterben. Aber Menschen starben unfair. Wahrscheinlich hatte es nur einer

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