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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Vaters.«
    »Nein«, sagte ich. »Er hat die Nennungen diktiert. Ich habe sie aufgeschrieben.«
    Sie nickte unverbindlich, und ob sie mir glaubte oder nicht, konnte ich nicht sagen.
    Alessandro zeigte sich am nächsten Tag beim ersten Lot auf Pullitzer als geschickter Reiter und hielt sich strikt für sich. Nach dem Frühstück kehrte er mit steinernem Gesicht zurück, das sich jeden Kommentar verbat, und als das Hauptlot auf die Heide gegangen war, ließ er sich auf Traffic werfen. Vom Tor aus sah ich noch, wie der aufsässige Hengst wie gewöhnlich mit Schatten kämpfte, und bemerkte ferner, daß die beiden anderen Pfleger, denen befohlen worden war, hierzubleiben und ihre Schützlinge herumzuführen, sich geflissentlich von ihm fernhielten.
    Als wir eineinviertel Stunden später zurückkehrten, hielt George Traffics Zügel, die anderen Pfleger waren abgestiegen, und Alessandro lag als bewußtloses Häufchen Elend am Boden.

7
     
    »Traffic hat ihn einfach abgeworfen, Sir«, sagte einer der Pfleger. »Einfach so, Sir. Und er hat sich den Kopf auf dem Geländer aufgeschlagen, Sir.«
    »Gerade eben erst, Sir«, fügte der andere ängstlich hinzu.
    Sie waren beide etwa sechzehn, beide Lehrlinge, beide ausgesprochen klein, und keiner von ihnen besonders kühn. Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß sie mit Absicht irgend etwas getan haben konnten, um Traffic noch mehr aufzuregen und den hochmütigen Alessandro buchstäblich zu Fall zu bringen, aber man konnte nie wissen. Was ich allerdings mit Bestimmtheit wußte, war, daß Alessandros Gesundheit von größter Bedeutung für meine eigene war.
    »George«, sagte ich, »führ Traffic in seine Box, und Etty …« – sie stand direkt hinter mir, schnalzte mit der Zunge, schaute aber nicht besonders bekümmert drein – »gibt es irgend etwas, das wir als Bahre benutzen könnten?«
    »In der Sattelkammer ist eine«, sagte sie, nickte und wies Ginge an, die Bahre zu holen.
    Die Bahre erwies sich als ein kleines Etwas aus schmuddeligem, grünem Leinen, das zwischen zwei ungleichmäßig geformten Stangen baumelte, die ihrerseits so aussahen, als hätten sie früher vielleicht einmal als Ruder gedient. Als Ginge damit zurückkehrte, war mein Herzschlag mittlerweile vom Everest heruntergekommen: Alessandro lebte und lag nicht allzu tief im Koma, und Enzos Pistolenkugeln würden mich daher nicht augenblicklich aus Rache ins Jenseits befördern.
    Soweit ich erkennen konnte, hatte er sich keine Knochen gebrochen, aber ich sorgte mit übertriebener Vorsicht dafür, daß er ganz sachte auf die Bahre gelegt wurde. Etty gefiel das nicht; wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten George und Ginge ihn an Armen und Beinen gefaßt und wie einen Sack Getreide auf die Bahre geworfen. Ich dagegen war maßvoller und wies die beiden an, ihn vorsichtig hochzuheben, ins Haus zu tragen und im Besitzerraum aufs Sofa zu legen. Ich selbst machte erst einen kleinen Umweg ins Büro und bat Margaret, nach einem Arzt zu telefonieren.
    Als ich in den Besitzerraum kam, bewegte Alessandro sich bereits. George und Ginge blickten auf ihn herab, der eine schon älter und resigniert, der andere jung und kampflustig, und keiner von beiden hatte auch nur das geringste Mitleid mit dem Patienten.
    »In Ordnung«, sagte ich zu ihnen. »Das wär’s. Der Arzt kommt, um nach ihm zu sehen.«
    Beide sahen so aus, als hätten sie noch eine Menge zu sagen, verbissen es sich aber und schlenderten aus dem Zimmer, um schließlich ihre Meinung auf dem Hof kundzutun.
    Alessandro öffnete die Augen, und zum ersten Mal sah er ein wenig verletzlich aus. Er wußte nicht, was geschehen war, wußte nicht, wo er sich befand oder wie er dort hingekommen war. Die Verwirrung zeichnete neue Linien in sein Gesicht; machte es jünger und weicher. Dann wurde sein Blick klar und heftete sich auf mein Gesicht, und mit einem Schlag kehrten eine Menge Erinnerungen zurück. Abgang Taube, Auftritt Habicht. Es war, als beobachtete man einen Spastiker, der aus gelöstem, entspanntem Frieden zu Krämpfen und Zuckungen erwachte.
    »Was ist passiert?« fragte er.
    »Traffic hat Sie abgeworfen.«
    »Oh«, sagte er schwächer, als ihm lieb war. Er schloß die Augen und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen ein einziges, tief empfundenes Wort aus: »Scheiße.«
    Von der Tür her war ein plötzlicher Tumult zu hören, und der Chauffeur stürzte ins Zimmer, während Margaret versuchte, ihn am Arm festzuhalten. Er stieß sie mühelos beiseite und

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