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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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einmal soviel Verstand zeigte, direkt auf den Stall zuzulaufen, sondern zu weit nach Norden abkam, so daß er ihn um eine halbe Meile verfehlte. Er stürmte immer weiter, seine Hufe donnerten erbarmungslos über den Rasen, und er trug Alessandro unerbittlich davon, etwa in die Richtung, in der Lowestoft lag.
    Es hätte mir nicht das geringste ausgemacht, wenn er geradewegs in die Nordsee gehechtet wäre, doch ich unterdrückte diesen Gedanken und hielt mir mit ein wenig mehr Vernunft vor Augen, daß es Rowley Lodge in den Grundfesten erschüttern würde, stieße Traffic etwas zu. Also trabte ich hinter ihm her, nachdem er in der Ferne verschwunden war, aber als ich die Bury St. Edmunds Road erreichte, war er bereits spurlos verschwunden. Ich überquerte die Straße, zügelte mein Pferd und überlegte, welche Richtung ich einschlagen sollte.
    Ein Wagen mit einem erschrocken aussehenden Fahrer, der seinen Kopf aus dem Fenster streckte, kam langsam auf mich zu.
    »So ein verdammter Irrer wäre beinahe direkt in mich reingeritten«, schrie er. »So ein verdammter Irrer auf der Straße, auf einem irren Pferd.«
    »Muß ja ein furchtbarer Schreck gewesen sein«, rief ich ihm mitleidig hinterher, aber er funkelte mich nur böse an und wäre beinahe gegen einen Baum gefahren.
    Ich trabte weiter über die Straße und fragte mich, ob das erste, was ich zu sehen bekommen würde, ein abgeworfener Alessandro wäre, und wenn ja, wie lange es dauern würde, den eigensinnigen Traffic zu finden und zurückzubringen.
    Von der nächsten Anhöhe aus war immer noch nichts von ihnen zu sehen; die Straße schlängelte sich leer durch die Landschaft. Da ich langsam nervös wurde, trieb ich Cloud Cuckoo-land an, bis wir ziemlich schnell über den weichen Boden neben dem Asphalt dahintrabten.
    Ich hatte die Limekilns hinter mir, und von Alessandro immer noch keine Spur. Die Straße lief schnurgerade hügelauf- und -abwärts. Kein Alessandro. Erst gute zwei Meilen von der Trainingsbahn entfernt fand ich ihn schließlich.
    Er stand an der Kreuzung, war abgestiegen und hielt Traffics Zügel in der Hand. Der Hengst hatte sich offensichtlich so lange verausgabt, bis er stehengeblieben war, und nun stand er erschlafft mit gesenktem Kopf da, seine Flanken hoben und senkten sich, und am ganzen Körper lief ihm der Schweiß herunter. Schaumspritzer sprenkelten seinen Hals, und die Zunge hing ihm erschöpft aus dem Maul.
    Ich ließ mich von Cloud Cuckoo-land hinuntergleiten und fuhr mit den Händen über Traffics Beine. Keine empfindliche Stelle. Keine offensichtlichen Zerrungen. Erleichtert seufzte ich, richtete mich auf und sah Alessandro an. Sein Gesicht war steif, seine Augen ausdruckslos.
    »Sind Sie in Ordnung?« fragte ich.
    Er hob das Kinn. »Natürlich.«
    »Traffic ist ein schwieriges Pferd«, bemerkte ich.
    Alessandro antwortete nicht. Sein Selbstvertrauen mochte einen harten Schlag erlitten haben, aber er würde nicht so unmännlich sein, sich trösten zu lassen.
    »Sie sollten ihn besser zu Fuß nach Hause bringen«, sagte ich. »Führen Sie ihn so lange, bis er sich richtig abgekühlt hat. Und halten Sie ihn von den Autos fern.«
    Alessandro zog am Zügel, und Traffic drehte sich lustlos um, wobei er seine Beine erst bewegte, als es absolut unumgänglich wurde.
    »Was ist das?« fragte Alessandro und zeigte auf einen kleinen Hügel im Gras in der Ecke der Kreuzung, an der er gestanden hatte. Er schob Traffic ein Stück zur Seite, damit ich sehen konnte, was er meinte, aber das war gar nicht nötig.
    »Das ist das Grab des Jungen«, sagte ich.
    »Von welchem Jungen?« Er war verblüfft. Jeder in Newmarket kannte das kleine Grab, nur er nicht. Der Hügel, etwas mehr als einen Meter lang, war wie die Wiesen in Parks mit niedrigen, sich überlappenden Drahtbögen abgesteckt. Ein paar schmutzig aussehende Plastiknarzissen steckten an dem Zäunchen, und einige verwelkende Blumen lagen verstreut in der Mitte. Außerdem ein weißer Plastikbecher, den irgend jemand dort hingeworfen hatte. Das Grab sah verloren aus und wirkte doch auf oberflächliche Art gepflegt.
    »Es gibt eine Menge Legenden«, sagte ich. »Die wahrscheinlichste ist, daß er ein Hirtenjunge war, der bei der Bewachung seiner Herde eingeschlafen ist. Ein Wolf kam und tötete die Hälfte der Tiere, und als er aufwachte, quälte ihn die Reue so sehr, daß er sich erhängte.«
    »Früher wurden Selbstmörder an Kreuzungen begraben«, sagte Alessandro nickend. »Das ist

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