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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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bekannt.«
    Ich konnte keinen Nachteil in dem Versuch sehen, Alessandro ein wenig wie einen normalen Menschen zu behandeln, also fuhr ich mit der Geschichte fort.
    »Das Grab wird gepflegt, wenn auch auf eine etwas willkürliche Art und Weise. Es ist nie überwuchert, und man findet hier oft frische Blumen … Niemand weiß genau, wer sie hierherlegt, aber man nimmt an, daß es die Zigeuner sind. Und es gibt auch eine Legende, die besagt, daß die Blumen auf dem Grab im Mai die Farben zeigen, die das Derby gewinnen werden.«
    Alessandro blickte hinunter auf die mitleiderregende kleine Gedenkstätte.
    »Es sind keine schwarzen Blumen da«, sagte er langsam. Archangels Farben waren Schwarz, Hellblau und Gold.
    »Die Zigeuner werden das Problem, wenn nötig, schon lösen«, erwiderte ich trocken. Und dachte, daß sie sich wohl zugunsten eines Rennfavoriten mit leichter zu inszenierenden Farben entscheiden würden.
    Ich lenkte Cloud Cuckoo-land in die Richtung, in der der Stall lag, und trabte davon. Als ich mich noch einmal umsah, führte Alessandro Traffic ruhig am Straßenrand entlang, eine dünne, aufrechte Gestalt in sauberen Kleidern und leuchtend blauweißer Mütze. Es war schade, dachte ich, daß er war, wie er war. Mit einem anderen Vater wäre er vielleicht ein anderer Mensch gewesen.
    Aber mit einem anderen Vater wäre ich das auch gewesen. Und wer nicht.
    Ich dachte den ganzen Rückweg nach Rowley Lodge darüber nach. Väter, so schien es mir, konnten ihre jungen Pflanzen wachsen lassen, nähren oder verbiegen, aber ihre eigentliche Natur konnten sie nicht beeinflussen. Sie brachten vielleicht eine verkümmerte Eiche hervor oder ein schillerndes Unkraut, aber Eiche oder Unkraut zu sein waren angeborene Eigenschaften, die sich am Ende durchsetzen würden. Alessandro war bei solch einer gartenkundlichen Betrachtung wie eine Kreuzung zwischen Stechpalme und Tollkirsche; und wenn es nach seinem Vater ging, würden die roten Beeren den schwarzen unterliegen.
    Alessandro ertrug Ettys deutlich angedeutete Verachtung mit starrem Gesicht. Nur wenige der anderen Pfleger zogen ihn bei seiner Rückkehr auf, wie sie es mit jemandem getan hätten, der zu ihnen gehörte. Die meisten schienen sich irgendwie vor ihm zu fürchten, was in meinen Augen ihren gesunden Instinkt bewies; andere, weniger empfindsame Jungen hatten sich den Abwehrmechanismus zu eigen gemacht, seine Existenz zu ignorieren.
    George führte Traffic zu seiner Box, und Alessandro folgte mir ins Büro. Sein Blick glitt kurz über Margaret, die in einem adretten, marineblauen Kleid und mit so kunstvoll wie nur je aufgetürmten Locken an ihrem Schreibtisch saß, aber er sah in ihr kein Hindernis, das ihn davon abgehalten hätte, mich mit den Gedanken zu beehren, für die er auf dem Heimweg offensichtlich ebenfalls Zeit gefunden hatte.
    »Sie hätten mich nicht dazu bringen dürfen, ein so schlecht ausgebildetes Pferd zu reiten«, begann er feindselig.
    »Ich habe Sie nicht dazu gebracht. Sie wollten es so.«
    »Miss Craig hat es mir zum Reiten gegeben, um mich zum Narren zu machen.«
    Zweifellos.
    »Sie hätten sich weigern können«, sagte ich.
    »Hätte ich nicht.«
    »Sie hätten sagen können, daß Sie mehr Übung benötigten, bevor Sie das schwierigste Pferd auf dem Hof übernehmen konnten.«
    Seine Nasenflügel bebten. Ein so demütiges Geständnis wäre unter seiner Würde gewesen.
    »Außerdem«, fuhr ich fort, »glaube ich persönlich nicht, daß Sie, wenn Sie Traffic reiten, besonders viel lernen können. Sie werden ihn also nicht wieder zugeteilt bekommen.«
    »Aber ich bestehe darauf«, sagte er energisch.
    »Sie bestehen worauf?«
    »Ich bestehe darauf, daß ich Traffic wieder reite.« Er warf mir den hochmütigsten der ihm zu Gebote stehenden Blicke zu und sagte dann: »Morgen.«
    »Warum?«
    »Weil alle, wenn ich es nicht tue, denken werden, es läge daran, daß ich es nicht kann oder daß ich Angst davor hätte.«
    »Es ist Ihnen also doch nicht egal«, sagte ich sachlich, »was die anderen von Ihnen halten.«
    »O doch, das ist es«, beharrte er stur.
    »Warum wollen Sie dann das Pferd reiten?«
    Er preßte seine kräftigen Lippen verstockt zusammen. »Ich werde keine Fragen mehr beantworten. Ich werde morgen Traffic reiten.«
    »Geht in Ordnung«, sagte ich beiläufig. »Aber ich werde ihn morgen nicht auf die Heide schicken. Er wird wohl kaum noch einen Galopp brauchen. Morgen soll er nur im Schritt über die Aschenbahn im Ring gehen, was

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