Knochenbruch
vor dem Rennen verkaufen.«
Langsam begannen sich unsichtbare Räder hinter seinen Augen zu drehen. Er blinzelte. Starrte auf seinen fast aus dem Glas laufenden Champagner und korrigierte diese Nachlässigkeit. Verkniff den Mund; ein Anklang an seinen alten Despotismus.
»Woher … woher weißt du das alles?« In seiner Stimme lag mehr Ärger als Angst.
»Ich habe mir die Rechnungsbücher angesehen.«
»Nein … ich meine, wer hat es dir erzählt?«
»Das brauchte mir niemand zu erzählen. In den letzten sechs Jahren war es mein Job, Geschäftsbücher zu lesen und Zahlen zusammenzurechnen.«
Er erholte sich immerhin so weit, daß er einige wohlüberlegte Schlucke nehmen konnte.
»Zumindest verstehst du jetzt, warum es zwingend ist, daß ein erfahrener Trainer den Stall übernimmt, bis ich wieder auf den Beinen bin.«
»Das ist nicht nötig«, sagte ich unbedacht. »Ich bin jetzt seit drei Wochen da …«
»Und glaubst du, daß man in drei Wochen lernt, wie man Rennpferde trainiert?« fragte er mit neu entfachter Verachtung.
»Da du schon fragst«, sagte ich, »ja.« Und bevor er dunkelrot anlaufen konnte, fügte ich hinzu: »Ich bin da hineingeboren, wie du dich vielleicht erinnerst … Ich bin dort aufgewachsen. Und sehr zu meiner Überraschung stelle ich fest, daß es mir zur zweiten Natur geworden ist.«
Diese Bemerkung betrachtete er eher als Drohung denn als Beruhigung. »Du wirst nicht bleiben, wenn ich zurückkomme.«
»Nein.« Ich lächelte. »Ganz bestimmt nicht.«
Er knurrte. Zögerte. Gab nach. Er sagte mit keinem Wort, daß ich weitermachen durfte, er ignorierte von da an einfach das ganze Thema.
»Ich will meine Hälfte von Pease Pudding nicht verkaufen.«
»Dann mach eine Liste von denen, die du zu verkaufen bereit bist«, sagte ich. »Sagen wir zehn für den Anfang.«
»Und was glaubst du, wer sie kaufen wird? Neue Besitzer wachsen nicht auf Bäumen, weißt du. Und halbe Anteile sind schwerer zu verkaufen … Besitzer sehen gerne ihren Namen in den Rennprogrammen und in der Zeitung.«
»Ich kenne eine Menge Geschäftsleute«, sagte ich, »die sich freuen würden, ein Rennpferd zu besitzen, die aber jede Publicity scheuen. Du suchst zehn Pferde aus, und ich verkaufe deine halben Anteile.«
Er sagte nicht, daß er es tun würde, aber er tat es, gleich an Ort und Stelle. Ich ließ meinen Blick über die fertige Liste gleiten und sah nur einen Fall, in dem ich anderer Meinung war.
»Du solltest Lancat nicht verkaufen«, sagte ich.
Er stellte die Nackenhaare auf. »Ich weiß, was ich tue.«
»Er wird als Dreijähriger ziemlich gut sein«, sagte ich. »Den Rennberichten habe ich entnommen, daß er mit zwei nicht geradeumwerfend war, und wenn du ihn jetzt verkaufst, wirst du nicht reinholen, was du bezahlt hast. Er sieht sehr gut aus, und ich glaube, er wird ganz schön was gewinnen.«
»Blödsinn. Du weißt nicht, wovon du sprichst.«
»Na schön … Wieviel würdest du für deine Hälfte haben wollen?«
Er schürzte die Lippen und dachte darüber nach. »Viertausend. Du solltest eigentlich in der Lage sein, vier für ihn zu bekommen, bei seiner Abstammung. Als Jährling hat er insgesamt zwölf gekostet.«
»Du solltest besser deine Preisvorstellungen für alle Tiere notieren«, sagte ich. »Wenn es dir nichts ausmacht.«
Es machte ihm nichts aus. Ich faltete die Liste zusammen, steckte sie in die Tasche, griff nach den Nennungsformularen, die er ausgefüllt hatte, und wollte aufbrechen. Er hielt mir sein Champagnerglas hin, leer.
»Trink was davon … Ich schaffe die Flasche nicht ganz.«
Ich nahm das Glas, schenkte nach und trank einen Schluck. Die Bläschen sprudelten um meine Zähne. Er sah zu. Sein Gesichtsausdruck war so streng wie immer, aber er nickte, zweimal und mit Nachdruck. Keine so symbolische Geste wie eine Friedenspfeife, aber auf ihre Art eine genauso große Anerkennung.
Am Montagmorgen, während sie munter auf der Schreibmaschine herumklapperte, sagte Margaret: »Die Mama von Susies Freundin sagt, sie hätte rein zufällig Alessandros Paß gesehen.«
»Der rein zufällig«, erwiderte ich trocken, »gut versteckt in Alessandros Zimmer lag.«
»Wir wollen ja dem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen.«
»Wollen wir nicht«, pflichtete ich ihr bei.
»Die Mama von Susies Freundin sagt, die Adresse im Paß liege nicht in Italien, sondern in der Schweiz. Einem Dorf namens Castagnola. Hilft Ihnen das weiter?«
»Ich hoffe, die Mama von Susies Freundin wird
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