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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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verabreichen?«
    »Injektion«, antwortete Dainsee, ohne zu zögern. »Eine sehr einfache intramuskuläre Injektion, nichts Schwieriges. Man stößt die Nadel einfach irgendwo rein, wo’s bequem ist. Dieses Mittel wird oft tobsüchtigen Patienten in Nervenkliniken gespritzt, wenn sie einen Anfall haben. Setzt sie für Stunden außer Gefecht.«
    Irgend etwas am Wort Promazin klang höchst vertraut in meinen Ohren.
    »Wirkt das Zeug sofort?« fragte ich.
    »Wenn man es intravenös verabreicht, ja. Aber intramuskulär – und dafür ist es eigentlich gedacht – würde es wahrscheinlich einige Minuten dauern, zehn bis fünfzehn bei einem Menschen; weiß nicht, wie lange bei einem Pferd.«
    »Wenn man es einem Menschen injiziert, könnte man das auch durch die Kleider hindurch tun?«
    »Na klar. Wie ich schon sagte. Es wird in Nervenkliniken als Notbremse benutzt. Man kann einen Tobsüchtigen nicht dazu bewegen, sich schön ruhig hinzusetzen und den Ärmel aufzurollen.«

9
     
    Drei Wochen lang blieb der Status auf Rowley Lodge so ziemlich quo.
    Ich strich schwer in den Nennungsformularen meines Vaters herum und schickte sie dann ein; außerdem verkaufte ich sechs der halben Anteile an verschiedene Bekannte, ohne Lancat auch nur einem von ihnen anzubieten.
    Margaret gewöhnte sich grünen Lidschatten an, und Susies Freundin berichtete, daß Alessandro ein Telefongespräch mit der Schweiz geführt hatte und keinen Pyjama trug. Auch daß der Chauffeur immer für alles bezahlte, weil Alessandro selbst kein Geld hatte.
    Etty wurde, da der Beginn der Saison näher rückte, immer angespannter, und die ängstlichen Furchen auf ihrer Stirn glätteten sich nur noch selten. Ich überließ viel mehr ihrem Urteil, als mein Vater das tat, und daher fühlte sie sich unsicher. Sie sehnte sich sichtlich nach seiner Rückkehr.
    Die Pferde arbeiteten jedoch trotz allem gut. Abgesehen von einer zweijährigen Stute, die eine Nasennebenhöhlenerkrankung bekam, hatten wir keine weiteren Mißgeschicke mehr zu verzeichnen, und soweit ich das als Zuschauer beurteilen konnte, waren die Leistungen der anderen fünfundvierzig Ställe, die die Heide von Newmarket benutzten, keinesfalls besser als die von Rowley Lodge.
    Alessandro kam jeden Tag zum Training und ritt schweigend, wenn auch mit trotzig besenstielsteifem Rückgrat, nach Ettys Anweisungen. Er wies nicht mehr darauf hin, daß er keine Befehle von einer Frau entgegennehme, und ich nahm an, daß selbst er sehen konnte, daß es ohne Etty weniger Gewinner geben würde. Sie selbst hatte fast vollkommen aufgehört, sich über ihn zu beklagen, und sah ihn jetzt mit objektiveren Augen; denn es bestand kein Zweifel, daß er nach einem Monat konzentrierten Trainings besser ritt als die anderen Lehrlinge.
    Er wurde außerdem sichtbar dünner und sah nicht mehr gesund aus. Und obwohl er eher klein war, waren die einundvierzig Kilo, auf die er seinen Körper zusammenschrumpfen lassen wollte, bei einer Größe von einsdreiundsechzig immer noch extrem.
    Alessandros Verbohrtheit war ein lästiger Faktor. Wenn ich geglaubt hatte, ich müsse es ihm so schwermachen, wie ich es gerade noch wagte, damit er seine Phantasterei aufgeben und verschwinden würde, so hatte ich mich verrechnet. Das hier war keine Phantasterei. Es erwies sich nur allzu deutlich als ein verzehrender Ehrgeiz; ein Ehrgeiz, der so stark war, daß er sich dafür fast tothungerte, Befehle von einer Frau entgegennahm und wahre Wunder der Selbstdisziplin vollführte – unglaublich, wenn man bedachte, daß dies wahrscheinlich das erste Mal in seinem Leben war, daß ihm eine solche Disziplin abverlangt wurde.
    Entgegen Ettys Willen setzte ich ihn eines Morgens auf Archangel.
    »Er ist noch nicht soweit«, protestierte sie, als ich ihr sagte, was ich vorhatte.
    »Es gibt keinen anderen Reiter auf dem Hof, der besser mit ihm umgehen könnte«, sagte ich.
    »Aber er hat nicht die Erfahrung dafür.«
    »O doch, die hat er. Archangel ist nur wertvoller, nicht schwieriger zu reiten als die anderen.«
    Alessandro quittierte die Neuigkeit nicht mit Freude, sondern mit einem »Na endlich«-Blick, eher höhnisch als zufriedengestellt. Wir gingen hinunter zur Waterhall-Bahn, weitab jeder öffentlichen Aufmerksamkeit. Dort lief Archangel schnelle zwölfhundert Meter und sah, als er stehenblieb, so aus, als wäre er gerade erst aus seiner Box gekommen.
    »Er hatte ihn im Gleichgewicht«, sagte ich zu Etty. »Die ganze Zeit.«
    »Ja, stimmt«, sagte sie

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