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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Stall war in dieser Woche zum Leben erwacht.
    Pullitzer war kurze Zeit zuvor in einem der kleineren Transporter des Stalls nach Catterick gebracht worden, begleitet von seinem eigenen Pfleger und dem Reisefuttermeister Vic Young, der die Pflege der Pferde überwachte, wenn sie nicht zu Hause waren. Vic war Ettys Stellvertreter, ein ideenreicher, pfiffiger Londoner, der in mittleren Jahren zu schwer für die meisten der jungen Stallbewohner geworden war; aber sein Gewicht kam ihm gut zustatten, wenn es darum ging, es in die Waagschale zu werfen. Er verstand sich bestens darauf, zu bekommen, was er haben wollte, und es war einfach Glück, daß das, was er wollte, für gewöhnlich zum Besten des Stalls war. Wie alle wirklich guten älteren Pfleger war er von ganzem Herzen parteiisch.
    Als ich, nachdem ich mich umgezogen hatte, wieder hinausging, um zum Rennen zu fahren, entdeckte ich Alessandro neben dem Jensen, während Carlo sechs Fuß weiter weg mit wütendem Gesicht im Mercedes saß.
    »Ich werde mit Ihnen fahren«, verkündete Alessandro entschlossen. »Aber Carlo wird uns folgen.«
    »Schön«, erwiderte ich nickend.
    Ich ließ mich auf den Fahrersitz gleiten und wartete, bis er neben mir einstieg. Dann ließ ich den Motor an, fuhr die Einfahrt hinunter und bog mit Carlo als Geleitschutz auf die Straße ein.
    »Mein Vater hat ihm befohlen, mich überall hinzufahren …«, erklärte Alessandro.
    »Und er verspürt kein Verlangen, sich Ihrem Vater zu widersetzen«, beendete ich den Satz für ihn.
    »Das stimmt. Mein Vater hat ihm außerdem befohlen, darauf aufzupassen, daß mir nichts passiert.«
    Ich sah ihn aus den Augenwinkeln an.
    »Glauben Sie, es könnte Ihnen etwas passieren?«
    »Niemand würde es wagen, mir etwas zu tun«, sagte er einfach.
    »Es hängt wohl davon ab, was auf dem Spiel steht«, sagte ich, während wir Newmarket immer weiter hinter uns ließen.
    »Aber mein Vater …«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich weiß. Und ich habe nicht den Wunsch, Ihnen etwas anzutun. Nicht im geringsten.«
    Alessandro ließ sich zufrieden in seinen Sitz sinken, aber ich überlegte, daß ein Hebel in zwei Richtungen betätigt werden konnte, und im Gegensatz zu mir hatte Enzo jemanden, um dessentwillen er gezwungen werden konnte, Dinge zu tun, die ihm gegen den Strich gingen. Angenommen, ich würde Alessandro entführen, tagträumte ich müßig vor mich hin, und ihn bequem im Keller der Wohnung in Hampstead einsperren. Auf diese Weise hätte ich Enzo am Schlafittchen und könnte ihm eine hübsche kleine Lektion in »Wie du mir, so ich dir« erteilen.
    Ich seufzte kurz. Zu viele Schwierigkeiten auf diesem Feld. Und da alles, was ich von Enzo wollte, darin bestand, ihn mir von meinem Buckel und aus meinem Leben zu schaffen, bevor mein Vater aus dem Krankenhaus kam, erschien mir eine Entführung Alessandros nicht der schnellste Weg zum Ziel zu sein. Wahrscheinlich eher der schnellste Weg zur Auflösung von Rowley Lodge. Trotzdem schade …
    Alessandro fieberte ungeduldig dem Ende der Fahrt entgegen, war aber sonst gelassener, als ich erwartet hatte. Angefangen bei der arroganten Haltung seines Kopfes bis hin zu den schlanken Händen auf seinen Knien, die sich immer wieder zu Fäusten ballten, sprach Entschlossenheit aus jeder Faser seines Körpers.
    Ich wich einem entgegenkommenden Öltransporter aus, dessen Fahrer sich in Frankreich zu wähnen schien, und sagte beiläufig: »Sie sollten den anderen Lehrlingen keine Vergeltungsmaßnahmen androhen, wenn nicht alles nach Ihrer Nase geht. Das ist Ihnen doch klar?«
    Er sah mich beinahe verletzt an. »So etwas werde ich nicht tun.«
    »Die Macht der Gewohnheit«, sagte ich ohne zu werten, »neigt dazu, in Augenblicken der Anspannung ihren häßlichen Kopf zu heben.«
    »Ich werde reiten, um zu gewinnen«, versicherte er mir.
    »Ja … aber vergessen Sie nicht, daß, wenn Sie gewinnen, weil Sie irgend jemand anders aus dem Weg schaffen, die Rennleitung Ihnen das Rennen wegnehmen wird, und dann haben Sie nichts erreicht.«
    »Ich werde vorsichtig sein«, sagte er mit hochgerecktem Kinn.
    »Mehr ist auch nicht nötig«, bestätigte ich. »Auch Großzügigkeit zum Beispiel nicht.«
    Er sah mich argwöhnisch an. »Ich weiß nie so recht, wann Sie einen Witz machen.«
    »Meistens«, antwortete ich.
    Wir fuhren immer weiter nach Norden.
    »Ist es Ihrem Vater nie in den Sinn gekommen, Ihnen einen Derby-Kandidaten zu kaufen, statt Sie mit Gewalt in Rowley Lodge zu installieren?«

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