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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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wiederbelebten Chauffeur nach Doncaster kutschiert worden war.
    Sein Gesicht war so weiß, wie seine gelbliche Haut das zuließ, und seine schwarzen Augen waren tiefe Abgründe. Er sah mich mit bebender, angespannter Wildheit an und schien Mühe zu haben, auszusprechen, was ihn umtrieb. Ich erwiderte seinen Blick, ohne irgendein Gefühl zu verraten, und wartete.
    »Na schön«, stieß er nach einer Weile schrill hervor. »Na schön. Warum sagen Sie’s nicht? Ich erwarte, daß Sie es sagen.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte ich neutral. »Und sinnlos.«
    Ein Teil der Starrheit fiel von seinem Gesicht ab. Er schluckte mühsam.
    »Dann werde ich es für Sie sagen«, meinte er. »Pease Pudding hätte nicht gewonnen, wenn Sie mir erlaubt hätten, ihn zu reiten.«
    »Nein, das hätte er nicht«, gab ich ihm recht.
    »Ich konnte sehen«, sagte er, und seine Stimme bebte immer noch ein wenig, »daß ich nicht so hätte reiten können. Ich konnte sehen …«
    Minderwertigkeitsgefühle waren eine Folter für Alessandro.
    Aus einer Art Mitleid heraus sagte ich: »Tommy Hoylake besitzt nicht mehr Entschlossenheit als Sie und auch keine bessere Hand. Aber was er hat, ist ein wunderbarer Sinn für Tempo und umwerfende Brillanz bei einem knappen Einlauf. Ihre Zeit wird kommen, zweifeln Sie nicht daran.«
    Auch wenn seine Farbe nicht zurückkehrte, löste der Rest der Steifheit sich endgültig auf. Er sah eher verblüfft aus als irgend etwas sonst.
    Langsam sagte er: »Ich dachte … ich dachte, Sie würden … wie sagt Miss Craig immer …? Es mir unter die Nase reiben.«
    Ich lächelte über diesen umgangssprachlichen Ausdruck aus seinem Mund, der so wenig zu seinem bedächtigen Akzent passen wollte.
    »Nein, das tue ich nicht.«
    Er holte tief Luft und streckte unwillkürlich die Arme aus.
    »Ich will …«, sagte er, sprach aber nicht zu Ende.
    Du willst die Welt, dachte ich. Und sagte: »Fangen Sie Mittwoch an.«
     
    Als der Pferdetransporter Pease Pudding an diesem Abend zurück nach Rowley Lodge brachte, kam der ganze Stall herausgelaufen, um ihn zu begrüßen. Die Runzeln auf Ettys Gesicht entsprangen ausnahmsweise einem anderen Gefühl als der Sorge, und sie bemutterte den heimgekehrten Krieger wie eine Glucke. Der Hengst selbst kletterte steifbeinig die Rampe herunter und nahm bescheiden das melonenbreite Grinsen und die derben Kommentare entgegen (»du hast’s geschafft, du alter Teufel«), die ihm entgegenschlugen.
    »Es wird doch bestimmt nicht jeder Gewinner mit solch einem Empfang beglückt«, sagte ich zu Etty, nachdem ich aus dem Haus gekommen war, um dem Tumult auf den Grund zu gehen. Ich war eine halbe Stunde vor dem Pferd zu Hause angekommen und hatte alles ruhig vorgefunden; die Pfleger hatten die Abendstallzeit bereits beendet und waren in die Kantine gegangen, um ihren Tee zu trinken.
    »Es ist der erste in dieser Saison«, sagte sie, und ihre Augen leuchteten in ihrem freundlichen, unscheinbaren Gesicht. »Und wir hatten nicht erwartet … ohne Mr. Griffon und alles …«
    »Ich habe dir doch gesagt, du sollst mehr auf dich selbst vertrauen, Etty.«
    »Den Jungs hat es jedenfalls gewaltig Auftrieb gegeben«, sagte sie und wich damit dem Kompliment, das ich ihr gemacht hatte, aus. »Alle haben vorm Fernseher gesessen. In der Kantine war ein Lärm, daß man es bis zum Forbury Inn gehört haben muß …«
    Die Pfleger hatten sich bereits alle für ihren freien Samstagabend in Schale geworfen. Und nachdem sie Pease Pudding sicher in seiner Box wußten, machten sie sich davon, ein lachender, grölender Haufen, der zum Überfall auf die Vorräte des Golden Lion auszog. Jetzt erst, da ich die explosive Natur ihrer Freude erlebte, erkannte ich, wie bedrückt sie zuvor gewesen waren. Aber sie hatten schließlich Zeitung gelesen, überlegte ich. Und sie waren es gewohnt, eher meinem Vater zu glauben als ihren eigenen Augen.
    »Mr. Griffon wird sich riesig freuen«, sagte Etty mit echter, naiver Gewißheit.
    Aber genau das tat Mr. Griffon, wie vorhersehbar war, nicht.
    Ich fuhr am folgenden Nachmittag zu ihm und fand mehrere Sonntagszeitungen im Mülleimer vor. Er begrüßte mich mit dem geringschätzigen Blick eines Juweliers, der einen Achat als Fensterkitt bezeichnet, und war sorgsam darauf bedacht, mir keine Chance zu geben, über ihn zu triumphieren.
    Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Nichts verschlechterte die zukünftigen Beziehungen auf jedwedem Feld so nachhaltig wie Triumphgehabe

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