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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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hatte den Schlüssel zum Haus meiner Mutter, und meine Mutter war verreist …
    Kaum gedacht, schon getan: An der nächsten Ecke wendete ich. Besonders glücklich machte es mich nicht, das Haus meiner Mutter für einen solchen Zweck zu nutzen, aber in jenem Moment wollte mir keine bessere Lösung einfallen.
    Die Luft in dem großen Haus am Plantation Drive war warm und roch abgestanden. Ohne nachzudenken lief ich die Treppe zu meinem alten Zimmer hoch, wo ich keuchend in der Tür stehen blieb, um mich nach einem passenden Versteck umzusehen. Von meinen alten Sachen stand hier nichts mehr, meine Mutter nutzte das Zimmer unterdessen als Gästezimmer. Aber vielleicht brachte mich der Schrankinhalt ja auf eine Idee.
    Richtig: Ich fand einen großen blassrosa Plastiksack, in dem meine Mutter die beiden blauen Wolldecken aufbewahrte, die für die Einzelbetten im Zimmer bestimmt waren. Bei diesem Wetter würde niemand auf die Idee kommen, die Decken aus dem Schrank zu holen. Ich rückte den Stuhl, der vor der Schminkkommode stand, an den Schrank, kletterte hoch, zog den Reißverschluss des Plastiksacks auf und schob meine Papiertüte mit dem furchtbaren Inhalt zwischen die Decken. Leider ließ sich der Reißverschluss anschließend nicht mehr zuziehen.
    Langsam wurde die ganze Sache grotesk. Immer grotesker, sollte ich vielleicht sagen.
    Ich holte eine Decke aus dem Sack und faltete die andere so, dass sie nur noch die Hälfte des Platzes dort einnahm und die andere Hälfte für den Schädel freiblieb. Jetzt ließ sich der Reißverschluss wieder schließen, und allzu ausgebeult sah das Ganze auch nicht aus. Fand ich wenigstens. Zum Schluss schob ich den Sack noch so weit wie möglich nach hinten.
    Nun musste ich nur noch die zweite Wolldecke loswerden. In der Kommode, die sich im Zimmer befand, war die Hälfte der Schubladen leer, das handhabte Mutter immer so, damit Gäste Platz für ihre Sachen hatten. Ich schob die Decke in eines dieser Schubfächer, entschied mich aber gleich darauf wieder gegen diese Lösung: Vielleicht brauchte meine Mutter diese Schubladen schon bald. John hatte vor, seine Sachen herüberzubringen, sobald die beiden aus den Flitterwochen zurückkamen. Am liebsten hätte ich mich auf den Boden gehockt und in Ruhe eine Runde geheult. Da stand ich nun, mit der gottverdammten Decke in der Hand, und die wildesten Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich wollte das verflixte Ding verbrennen oder mit nach Hause nehmen – lieber eine Wolldecke als einen Schädel!
    Natürlich! Das Bett! Wo konnte man eine Wolldecke besser verstecken als auf einem Bett?
    Hastig riss ich die Tagesdecke von einem der Betten, legte das Kissen auf den Boden, breitete die Wolldecke auf der Matratze aus und strich sie glatt. Nach wenigen Minuten unterschied sich das Bett in nichts von seinem Doppelgänger, und beide sahen genauso aus, wie ich sie bei meiner Ankunft vorgefunden hatte.
    Völlig fertig schleppte ich mich aus dem Haus meiner Mutter, um mein eigenes anzusteuern. Mir kam es vor, als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen, dabei ging es gerade mal auf die Mittagszeit zu. Nur gut, dass ich am Nachmittag nicht arbeiten musste.
    Daheim schenkte ich mir ein Glas Eistee ein, in das ich ganz gegen meine Gewohnheit einige Löffel Zucker rührte, und setzte mich in meinen Lieblingssessel, um das Glas in kleinen Schlucken zu leeren. Es war Zeit nachzudenken.
    Die Tatsachen! Erstens: Jane Engles hatte in ihrem Haus gut versteckt einen Schädel aufbewahrt. Möglich, dass sie Sewell nicht direkt über dessen Existenz aufgeklärt hatte, aber sie hatte dem Anwalt gegenüber auf jeden Fall durchblicken lassen, dass im Haus nicht alles so war, wie es sein sollte, dass ich aber in der Lage war, mit dem Problem umzugehen.
    Frage: Wie war der Schädel in Janes Haus gelangt? Hatte sie seinen – Besitzer? Benutzer? – getötet?
    Frage: Wo befand sich der Rest des Skeletts?
    Frage: Seit wann lag der Kopf schon in der Fensterbank?
    Zweitens: Jemand anderes wusste, dass sich der Schädel bei Jane im Haus befand oder vermutete es zumindest. Bei dieser Person handelte es sich um einen im Grunde gesetzestreuen Bürger, denn er (oder sie!) hatte bei der Suche nicht die Gelegenheit genutzt, etwas zu stehlen oder im Haus mutwillige Zerstörungen anzurichten. Wenn ich daran dachte, was man mit einem unbewohnten Haus alles anstellen konnte, war die zerbrochene Fensterscheibe ein Pappenstiel. Ich durfte also mit fast hundertprozentiger

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