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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Sucher ausschließlich hinter dem Schädel hergewesen war. Es sei denn, Jane hatte noch etwas in ihrem Haus versteckt. Ein schrecklicher Gedanke!
    Frage: Würde der Einbrecher es noch einmal versuchen, oder war er zur Erkenntnis gelangt, dass sich der Schädel nicht mehr im Haus befand? LautTorrance Rideout hatte er auch im Garten gesucht. Ich musste bei meinem nächsten Besuch im Haus auf jeden Fall in den Garten gehen und mir die Sache anschauen.
    Drittens: Ich saß ganz tief in der Tinte. Was tun? Den Schädel in den Fluss werfen, um den Rest meines Lebens Stillschweigen zu bewahren, zu verdrängen, dass ich ihn je gesehen hatte? Das war ein Ansatz, der mir in diesem Augenblick sehr einleuchtend und verlockend erschien. Natürlich konnte ich den Schädel auch zur Polizei tragen und dort gestehen, was ich getan hatte. Nur brach mir beim bloßen Gedanken an Jack Burns’ Augen und Arthurs ungläubigen Gesichtsaudruck der kalte Schweiß aus. „Ich habe ihn im Haus meiner Mutter versteckt“, hörte ich mich stammeln. Wie, bitteschön, sollte ich das denn erklären? Ich verstand ja selbst nicht, warum ich so gehandelt hatte! Ich konnte mir mein Verhalten nur mit dem vagen Gefühl der Loyalität erklären, das ich Jane gegenüber empfand, wobei mich das Geld, das sie mir hinterlassen hatte, bestimmt in einem gewissen Maße beeinflusste.
    Nein, zur Polizei würde ich nicht gehen, entschied ich an jenem Nachmittag auf meinem Sessel. Es sei denn, es tauchte noch mehr auf. Was diese Entscheidung rein rechtlich gesehen bedeutete, hätte ich nicht sagen können, konnte mir aber nicht vorstellen, dass mein bisheriges Verhalten vom juristischen Standpunkt aus betrachtet allzu verwerflich war. Moralisch gesehen – das war eine ganz andere Frage.
    Wie ich es auch drehte und wendete, eine Tatsache ließ sich nicht aus der Welt schaffen: Ich hatte ein Problem.
    In diesem völlig unpassenden Augenblick klingelte es. Durfte ich denn nirgends ungestört sein? Seufzend stand ich auf, um zu öffnen. Vielleicht war es ja jemand, den ich sehen wollte -Aubrey zum Beispiel.
    Natürlich war es nicht Aubrey, dafür meinte es der Tag zu schlecht mit mir. Vor meiner Vordertür – die nie jemand benutzte, weil man, um sie zu erreichen, vom Parkplatz hinter dem Haus aus an der ganzen Häuserzeile entlanggehen musste, während meine Hintertür nur zehn Schritte vom Parkplatz entfernt lag – standen Parnell und Leah. Natürlich hatten sie den zeitraubenden Weg auf sich genommen, das sah ihnen ähnlich.
    „Mr. Engle, Mrs. Engle!“, begrüßte ich die beiden. „Bitte kommen Sie doch herein.“
    Parnell eröffnete umgehend das Feuer. „Was haben wir Jane getan, Miss Teagarden? Womit haben wir sie so verletzt, dass sie all ihr Hab und Gut Ihnen hinterlässt? Hat sie es Ihnen erklärt?“
    Das konnte ich wirklich nicht gebrauchen. „Fangen Sie gar nicht erst damit an, Mr. Engle“, antwortete ich scharf. „Fangen Sie nicht damit an! Heute ist kein guter Tag für solche Fragen. Sie haben das Auto, ein wenig Geld und Madeleine, die Katze. Freuen Sie sich und lassen Sie mich in Ruhe.“
    „Wir sind Janes einzige Verwandte …“
    „Lassen Sie mich in Ruhe!“, herrschte ich ihn an, denn ich schaffte es einfach nicht mehr, höflich zu bleiben. „Ich weiß nicht, warum mir Jane alles vererbt hat, aber derzeit macht das Erbe mich nicht glücklich, das kann ich Ihnen gern verraten.“
    „Jane hat in ihrem Letzten Willen ihre Wünsche zum Ausdruck gebracht“, meinte Parnell schon weniger jämmerlich und mit etwas mehr Würde. „Das haben wir zur Kenntnis genommen. Sie war bis zum Schluss bei klarem Verstand und Bewusstsein, das erkennen wir an. Sie wusste, was sie tat, als sie sich für Sie entschied. Wir werden das Testament nicht anfechten. Wir verstehen es nur nicht.“
    „Ich auch nicht, Mr. Engle.“ Parnell hätte den Schädel so schnell auf die Polizeiwache geschafft, dass man kaum das Wort „Schädel“ hätte aussprechen können. Trotzdem freute es mich zu hören, dass die beiden nicht so kleinlich waren, das Testament anfechten zu wollen, hätte mir solch ein Schritt doch jede Menge Ärger und Herzeleid beschert. Ich kannte meine Heimatstadt: Bald würde hier ohnehin die Frage kursieren, warum Jane Engle ihr nicht unerhebliches Vermögen einer jungen Frau hinterlassen hatte, mit der sie noch nicht einmal besonders eng befreundet gewesen war, und dann würden die wildesten Spekulationen die

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