Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
ein Problem lösen.
    Bubba schien ja irgendetwas zu wissen oder doch zumindest zu ahnen. Was, wenn ich ihn als Rechtsanwalt anheuerte und ihn fragte, was ich tun sollte? Zwischen Rechtsanwalt und Mandant bestand ein Vertrauensverhältnis – würde das dafür sorgen, dass er den Mund hielt, wenn ich ihm den Schädelfund gestand und auch, dass ich das Corpus Delicti gleich wieder versteckt hatte? Oder war Bubba als Jurist verpflichtet, meinen kleinen Fauxpas zu melden? Auf all diese Fragen wusste bestimmt der eine oder andere Krimi, den ich im Laufe meines Lebens gelesen hatte, die Antwort, aber das brachte mich in diesem Moment auch nicht weiter, vermischten sich doch all die vielen Geschichten in meinem Kopf gerade zu einem einzigen Brei. Höchstwahrscheinlich waren die Gesetze in dieser Frage sowieso von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden.
    Aubrey durfte ich mein Dilemma aber gestehen, oder? War er verpflichtet, damit zur Polizei zu gehen? Durfte ich praktische Ratschläge von ihm erwarten? Wie sein moralischer Rat ausfallen würde, meinte ich zu ahnen: Der Schädel gehörte aufs Polizeirevier, gleich heute noch, Punktum. Ich trug zur Verschleierung des Todes eines Menschen bei, der seit mindestens drei Jahren nicht mehr lebte und vermisst wurde. Irgendwo gab es jemanden, der erfahren musste, dass diese Person tot war. Was, wenn es sich um Macon Turners Sohn handelte? Macon wusste schon so lange nicht, wo dieser sich befand, er hatte nach seinem Sohn gesucht und wollte natürlich unbedingt wissen, was aus ihm geworden war. Wenn es auch nur eine winzige Möglichkeit gab, dass die Briefe des Sohnes an Macon gefälscht waren, dann wäre es unmenschlich, Macon das Wissen um den Schädel vorzuenthalten.
    Es sei denn, Macon war für das Loch darin verantwortlich.
    Carey Osland hatte all die Jahre geglaubt, ihr Mann hätte sie einfach Knall auf Fall verlassen. Wenn jemand ihn gewaltsam daran gehindert hatte, mit diesen Windeln nach Hause zurückzukehren, dann sollte sie das erfahren.
    Es sei denn, Carey selbst hatte ihn daran gehindert.
    Marcia und Torrance Rideout mussten erfahren, dass sich ihr Mieter nicht freiwillig vor seinen Mietzahlungen gedrückt hatte, als er von einem auf den anderen Tag verschwand.
    Es sei denn, sie selbst hatten den Mietvertrag gekündigt …
    Ich sprang auf und machte mich auf die Suche nach etwas Essbarem. Was, war mir gleich. Natürlich gab es nur Dosen und ungeöffnete Packungen mit Fertiggerichten, weswegen ich mich letztlich für ein Glas Erdnussbutter und einen Löffel entschied. Ich lehnte am Tresen, steckte den Löffel ins Glas und leckte ihn ab.
    Mörder gehörten entlarvt, die Wahrheit musste ans Licht und so weiter und so fort … Himmel: Wer immer hier ins Haus eingebrochen war, musste der Mörder sein!
    Kein schöner Gedanke. Ich begann zu zittern.
    Aber damit noch nicht genug: Mein Kopf hatte sich verbissen und dachte unentwegt in der gleichen Richtung weiter. Wahrscheinlich fragte sich der Mörder gerade, ob ich den Schädel gefunden und wenn ja, was ich damit gemacht hatte.
    „Das ist nicht gut!“, flüsterte ich. „Das ist gar nicht gut, das ist ganz, ganz schlecht.“
    Konstruktives Denken war das nicht.
    Also fing ich noch einmal bei null an.
    Jane hatte einen Mord beobachtet oder gesehen, wie jemand eine Leiche verscharrte. Das war klar, denn wenn sie nicht gewusst hätte, dass eine Leiche vorhanden war, hätte sie sich den Schädel nicht holen können, richtig? Jane hatte wortwörtlich gewusst, wer eine Leiche im Keller hatte. Über diesen kleinen Witz musste ich trotz allem grinsen.
    Warum hatte sie sich nicht an die Polizei gewandt?
    Keine Antwort.
    Warum hatte sie den Schädel genommen?
    Keine Antwort.
    Warum hatte jemand Janes Ableben abgewartet, um nach dem Schädel zu suchen, wo sie ihn doch offensichtlich schon jahrelang besessen hatte?
    Mögliche Antwort: Der Mörder wusste nicht mit Bestimmtheit, dass Jane diejenige war, in deren Besitz sich der Schädel befand.
    Ich versuchte, mich in einen Menschen hineinzuversetzen, der unter ungeahntem Druck oder von ungeahnter Leidenschaft beflügelt ein furchtbares Verbrechen begangen hatte. Der Mörder versteckte die Leiche, muss aber irgendwann feststellen, dass deren Schädel verschwunden war. Der Schädel mit dem verräterischen Loch, der Schädel mit den Zähnen, anhand derer sich jedes Mordopfer identifizieren ließ. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, diesen Schädel auszugraben und mitzunehmen, und der

Weitere Kostenlose Bücher