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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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flüchten. Bei dem Liebhaber konnte es sich um Mark Kaplan, den Mieter der Rideouts, gehandelt haben, der ja ebenfalls verschwunden war. Oder um einen Fremden. Oder Mike Osland war der Schädel, von Careys Liebhaber oder von Carey selbst in diesen Zustand versetzt.
    „Aber sie hat zu Hause ein kleines Mädchen“, wandte ich im Interesse der Fairness ein.
    „Fragst du dich, was sie diesem kleinen Mädchen erzählt, wenn ein männlicher Besucher über Nacht bleibt?“ Sally lud sich noch eine Scheibe Braten auf den Teller.
    Die Unterhaltung driftete in eine Richtung, die mir nicht gefiel. „Zu mir war Carey sehr nett, als sie vorbeikam, um mich willkommen zu heißen“, sagte ich in unmissverständlichem Tonfall. Ich war nicht gewillt, weiter über Carey Osland herzuziehen. Sally warf mir einen prüfenden Blick zu, ehe sie sich erkundigte, ob ich auch noch ein Stück Braten wollte.
    „Nein, danke.“ Ich stieß einen gesättigten, zufriedenen Seufzer aus. „Es hat herrlich geschmeckt.“
    „Macon ist im Büro viel umgänglicher geworden, seit er mit Carey ausgeht“, sagte Sally abrupt. „Das mit den beiden fing an, als sein Sohn verschwand, und die Beziehung hat ihm wohl sehr geholfen, mit dem Drama fertigzuwerden. Vielleicht konnte ihm Carey besser helfen als jemand anderes, weil sie selbst verlassen worden war.“
    „Welcher Sohn?“, hakte ich nach. Hatte Mutter in der Zeit, in der sie mit Macon ausging, je einen Sohn erwähnt?
    „Macon hat einen Sohn, der Anfang, Mitte zwanzig sein dürfte. Macon zog nach seiner Trennung hierher, der Sohn ist mitgekommen. Das dürfte vor etwa sieben Jahren gewesen sein. Der Junge hieß Edward, wenn ich mich richtig erinnere, aber das spielt keine Rolle. Nach ein paar Monaten Zusammenleben mit seinem Vater in Lawrenceton beschloss der Bursche, die Ersparnisse abzuheben, die seine Mutter ihm überlassen hatte, und wegzugehen. Macon sagte er, er wollte nach Indien, meditieren, Drogen kaufen oder so. Irgendetwas Verrücktes jedenfalls. Macon war völlig fertig, er konnte den Jungen aber nicht aufhalten. Eine Weile hat der Sohn sich noch gemeldet, geschrieben oder angerufen, vielleicht einmal im Monat. Aber dann hörte er damit auf. Seitdem hat Macon nie wieder etwas von Edward gesehen oder gehört.“
    „Das ist ja furchtbar!“ Ich war bestürzt. „Was mag ihm widerfahren sein?“
    Sally schüttelte bekümmert den Kopf. „Wer weiß? Er zog allein in einem Land herum, dessen Sprache er nicht sprach. Ihm kann alles Mögliche zugestoßen sein. Man mag es sich ja gar nicht ausmalen.“
    Armer Macon. „Ist er je hingefahren? Macon, meine ich.“
    „Eine Weile hat er das in Erwägung gezogen und viel davon geredet, aber als er sich an das Außenministerium wandte, rieten die ihm von so einem Schritt ab. Er konnte noch nicht einmal genau sagen, wo Edward sich aufhielt, als er verschwand. Wer weiß, wohin der Junge reiste, nachdem er den letzten Brief geschrieben hatte, den Macon erhielt? Jemand von der Botschaft hat die letzte Adresse aufgesucht, von der aus Edward geschrieben hatte. Laut Macon war das eine Absteige, in der alle möglichen Europäer ein- und ausgingen. Niemand dort konnte sich an Edward erinnern – zumindest haben sie das behauptet.“
    „Sally, das ist ja schrecklich!“
    „Ja, und ob. Ich glaube, es ist besser, dass Perry in der Psychiatrie sitzt. Ehrlich, das empfinde ich so! Wenigstens weiß ich, wo er ist.“
    Die reine Wahrheit.
    Ich starrte in meine Bierdose. Dann gab es also noch eine verschwundene Person. Befand sich ein Teil von Edwards sterblichen Überresten im rosa Deckensack meiner Mutter? Wenn, dann war Macon für dessen Ableben verantwortlich, hatte er doch überall behauptet, nach der Abreise des Jungen noch eine Weile von ihm gehört zu haben. Diese Annahme hatte alle Merkmale einer Seifenoper! „Wenn Sie wissen wollen, wie es weitergeht, schalten Sie morgen wieder ein“, sagte ich leise.
    „Es ist wie in einer Seifenoper“, pflichtete Sally mir bei. „Aber schrecklich.“
    Ich begann, angemessene Abschiedsfloskeln von mir zu geben. Das Essen war großartig gewesen, die Gesellschaft auf jeden Fall interessant und stellenweise richtig vergnüglich. Als Sally und ich diesmal auseinandergingen, waren wir ziemlich zufrieden miteinander.
     

     
    Während ich mich verabschiedete, fiel mir ein, dass ich ja noch nach Madeleine sehen musste. Ich hielt beim Supermarkt und sorgte für Nachschub in puncto Katzenfutter und Katzenstreu, was sich

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