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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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dezidierte Vorliebe für Jack the Ripper, auch wenn ich beileibe noch nicht den Status eines echten Ripperologen erreicht hatte.
    Jane Engle war immer schon ein Madeleine-Smith-Fan gewesen. Madeleine war nach ihrer Verhandlung vor einem schottischen Gericht freigelassen worden, weil die Jury zu dem Schiedsspruch „unbewiesen“ gekommen war, ein Ergebnis, das so nur in der schottischen Rechtssprechung möglich war und in diesem Fall den Nagel auf den Kopf traf. Die Literatur zu dem Fall ging überwiegend davon aus, dass Madeleine den ihr untreu gewordenen Liebhaber vergiftet hatte, man hatte es ihr nur nicht nachweisen können. Madeleine hatte der oberen Mittelschicht angehört und sich ihres ehemaligen Liebsten, der einfacher Ladenangestellter war, entledigen müssen, um unbeschadet in ihrem eigenen respektablen Milieu heiraten zu können. Sie hatte nicht riskieren dürfen, dass L’Anglier, so hatte ihr früherer Liebster geheißen, herumerzählte, dass sie mit ihm intim gewesen war. Giftmord war eine heimtückische, seltsam unöffentliche Art der Rache. L’Angliers tragischer Irrtum war gewesen, Madeleine für ein durchschnittliches Mädchen ihrer Zeit zu halten. Eigentlich hätte er es besser wissen müssen, hatte er doch erleben dürfen, wie das Feuer der körperlichen Liebe in ihr loderte. Wer so leidenschaftlich liebte, war auch zu anderen leidenschaftlichen Gefühlen und Taten fähig. Diese Leidenschaft hatte Madeleine dann auch entwickelt, als es darum ging, ihren Namen rein und ihren Ruf intakt zu halten. L’Anglier hatte ihr damit gedroht, ihre detailreichen und anschaulichen Liebesbriefe ihrem Vater zu schicken. Daraufhin hatte Madeleine getan, als wollte sie sich mit ihm versöhnen und ihm Arsen in die heiße Schokolade gerührt, zu der sie ihn einlud.
    Da ich nichts anderes zu tun hatte, zog ich eines der Bücher über Madeleine aus dem Regal. Als ich es aufschlagen wollte, klappte es ganz von allein an einer bestimmten Stelle auf: Oben an der entsprechenden Seite klebte ein gelber Merkzettel.
    „Ich war es nicht“, stand darauf. In Janes Handschrift.
    „Ich war es nicht.“
    Überwältigende Erleichterung war das Erste, was ich empfand. Jane, die mir so viel hinterlassen hatte, wollte mir nicht zumuten, für einen Mord, den sie selbst begangen hatte, die Suppe auszulöffeln.
    Allerdings hatte sie mich durchaus in eine verzwickte Lage gebracht: Ich sollte einen Mord geheimhalten, den jemand anderes begangen hatte, den Jane selbst aber aus Gründen, die ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, nicht hatte publik machen wollen.
    Bisher hatte ich mich mit nur einer Frage konfrontiert gesehen: Wem gehörte der Schädel, den ich in Janes Fenstersitz gefunden hatte? Jetzt durfte ich zusätzlich noch herausfinden, wer dem Schädel zu seinem Loch verholfen hatte.
    Durfte man behaupten, meine Lage hätte sich unter dem Strich verbessert? Nein! Zu dieser Erkenntnis gelangte ich nach einigem Grübeln. Mein Gewissen drückte vielleicht einen Hauch weniger stark, allerdings stellte sich die Frage, ob ich zur Polizei gehen sollte oder nicht, nun aus einer leicht anderen Sicht. Jetzt würde ich nicht mehr automatisch Jane eines Mordes bezichtigen, wenn ich den Schädel den Behörden vorlegte, und doch hatte sie etwas mit dem Mord zu tun gehabt. Oh Gott, was für ein Durcheinander!
    Nicht zum ersten und ganz sicher auch nicht zum letzten Mal wünschte ich mir aus ganzem Herzen, mich noch einmal mit Jane, meiner Wohltäterin und meiner Last, unterhalten zu dürfen. Um mich aufzumuntern, dachte ich an das Geld.
     

Kapitel Sieben
     
    Die offizielle Testamentseröffnung rückte mit jedem Tag näher, wahrscheinlich durfte ich bald mit dem Geldausgeben anfangen, ohne Bubba Sewell jeweils um Erlaubnis fragen zu müssen.
    Ich will ganz ehrlich sein: Über das Geld freute ich mich nach wie vor unvoreingenommen. Ich hatte viele Krimis gelesen, in denen ein Privatdetektiv seinen Scheck zurückgeschickt hatte, weil ihm sein Kunde unmoralisch vorkam, oder der Job, für den man ihn angeheuert hatte, gegen seinen Ehrenkodex verstieß. So ging es mir nicht. Jane wollte, dass ich ihr Geld bekam. Sie wollte, dass ich es genoss und meinen Spaß damit hatte, und sie wollte, dass ich mich an sie erinnerte … Und ob ich mich an sie erinnerte, ich dachte jeden Tag an Jane, jawohl, Sir! Ich hatte außerdem ganz fest vor, das Geld zu genießen und meinen Spaß damit zu haben. Bis es soweit war, musste ich allerdings noch

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