Knochenerbe
irgendwie dauerhaft anfühlte und nicht nach zeitweiliger Fürsorge während der zweiwöchigen Abwesentheit der Engles.
Dem Anschein nach hattge ich mir ein Haustier zugelegt.
Mehr noch: Ich freute mich sogar auf das Wiedersehen mit ihm.
In der einen Hand die Beutel aus dem Supermarkt, schloss ich die Tür zu Janes Haus auf. "Madeleine?" Aber kein goldener, schnurrender Despot kam zu meiner Begrüßung angetrabt. „Madeleine?“, wiederholte ich lauter und um einiges verunsicherter.
Konnte es sein, dass sie einen Weg hinaus gefunden hatte? Die Hintertür war verriegelt, die Fenster in Wohnzimmer und Küche auch. Ich warf einen Blick ins Gästezimmer, weil der Einbruch dort stattgefunden hatte, aber das neue Fenster war intakt.
„Kätzchen?“, rief ich traurig. Da – war da nicht ein Geräusch? Langsam öffnete ich die Tür zu Janes Schlafzimmer. Ich hatte Angst, ohne sagen zu können wovor. Wieder dieses Geräusch, diesmal eindeutig als ein seltsames Miauen zu erkennen. War Madeleine verletzt? Hatte ihr jemand wehgetan? Am ganzen Leib zitternd, fest davon überzeugt, dort Schreckliches vorzufinden, öffnete ich mit angehaltenem Atem und fest zusammengebissenen Zähnen weit die Tür zu Janes Kleiderschrank, die ich am Vortag hatte halb offen stehen lassen.
Allem Anschein nach gesund lag Madeleine auf Janes altem Bademantel, der beim Zusammenpacken der Kleider vom Bügel auf den Schrankboden gerutscht war und keinen Platz in den Kartons mehr gefunden hatte. Sie lag auf der Seite, und ich konnte deutlich sehen, wie sich ihre Muskeln anspannten. Madeleine bekam Junge.
„Oh Hölle!“, sagte ich. „Oh Hölle, Hölle, Hölle!“ Verzweifelt ließ ich mich auf das Himmelbett fallen. Madeleine hatte nur einen kurzen, goldenen Blick für mich übrig, ehe sie sich wieder an die Arbeit machte. „Warum ich, oh Herr“, klagte ich wehleidig, dabei hätte dieser Spruch ja wohl eher von Madeleine kommen müssen, nur dass die nicht sprechen konnte. Wenn ich ehrlich war, fand ich das Ereignis im Schrank eigentlich interessant – ob Madeleine etwas dagegen hatte, wenn ich zusah? Anscheinend nicht: Als ich mich vor dem Schrank auf den Boden hockte, um ihr Gesellschaft zu leisten, fauchte sie weder, noch holte sie zu einem krallenbewehrten Hieb aus.
Deswegen hatte Parnell so heiter reagiert, als ich mich bereiterklärte, Madeleine bei mir zu behalten. Natürlich hatte er von dem bevorstehenden Mutterglück gewusst.
Hieß das, Parnell und ich waren quitt? Gut möglich: Drei Junge hatte Madeleine bereits, und es schienen noch mehr kommen zu wollen.
Ich musste mir immer wieder vor Augen halten, dass es sich hier um das Wunder der Geburt handelte, denn von außen betrachtet wirkte die ganze Angelegenheit überwiegend blutig. Madeleine hatte meine volle Anteilnahme. Noch einmal strengte sie sich mit aller Macht an, woraufhin ihr ein weiteres schleimiges kleines Kätzchen entschlüpfte – und ich? Ich hoffte auf zwei Dinge: dass dies das letzte Kätzchen war und dass nicht noch kurz vor Ende Probleme auftauchten, denn ich war die letzte, die hier helfen konnte. Nach ein paar Minuten durfte ich anfangen zu hoffen, dass beide Wünsche in Erfüllung gehen würden: Madeleine leckte die winzigen Wesen sauber, die friedlich dalagen und sich nur wenig bewegten, die Augen geschlossen, so zart und hilflos, wie nur Neugeborene sein können.
Madeleine beobachtete mich erschöpft, aber mit der leichten Überheblichkeit von jemandem, der gerade einen wichtigen Meilenstein im Leben hinter sich gebracht hat. Ob sie durstig war? Ich holte ihren Wassernapf und die Futterschüssel und stellte beides neben den Schrank. Nach einer Weile stand sie auf und trank ein wenig, schien am Futter aber nicht interessiert zu sein, sie machte es sich lieber wieder neben ihren Sprösslingen gemütlich. Offenbar ging es ihr gut, also verließ ich sie und setzte mich ins Wohnzimmer. Was in aller Welt sollte ich mit vier kleinen Kätzchen? Nachdenklich starrte ich auf das Bücherregal, wo neben all den Darstellungen realer und fiktiver Morde auch mehrere Bücher über Katzen standen. Die sollte ich mir vielleicht als Nächstes zu Gemüte führen.
Janes Büchersammlung über ihren Liebling Madeleine Smith, die schottische Giftmörderin, stand direkt über dem Regal mit den Katzenbüchern. Bei „Echte Morde“ hatte jeder ein oder zwei Favoriten gehabt, der neue Ehemann meiner Mutter zum Beispiel war Lizzie-Borden-Spezialist. Ich hegte eine
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