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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Mörder wusste nicht, wer es war.
    Furchtbar! Fast hätte ich Mitleid mit dem unbekannten Täter bekommen. Was für Ängste er ausgestanden haben musste, wie schrecklich die Ungewissheit gewesen sein muss!
    Nein, hier war Mitgefühl nicht angebracht. Wenn ich Mitleid empfinden wollte, dann doch eher mit dem Schädel – so nannte ich das Mordopfer inzwischen.
    Wo konnte Jane einen Mord beobachtet haben?
    In ihrem eigenen hinteren Garten. Jane musste gewusst haben, wo die Leiche vergraben lag, sie musste die Möglichkeit gehabt haben, in aller Ruhe danach zu graben, ohne unterbrochen oder entdeckt zu werden. Sie hätte einen Schädel nicht über eine große Entfernung hinweg mit sich herumschleppen können. Die Überlegungen, die ich ein paar Tage zuvor angestellt hatte, behielten ihre Gültigkeit, ganz gleich, ob Jane eine Mörderin war oder nicht. Der Mord war in dieser Straße passiert, in einem dieser Häuser, irgendwo, wo Jane ihn hatte sehen können.
    Nochmals ging ich nach hinten in den Garten, um mich umzusehen.
    Auf den beiden Bänken rechts und links der Vogeltränke hatte Jane abends gern gesessen, das wusste ich, sie hatte es mir einmal erzählt. Sie hatte so still sitzen können, dass die Vögel manchmal auch während ihrer Anwesenheit an die Tränke gekommen waren, auch das hatte sie mir erzählt, denn sie war stolz darauf gewesen. Ich fragte mich, ob Madeleine wohl dabei gewesen war, wenn Jane sich an den Vögeln erfreute, schob den Gedanken aber gleich wieder als unwürdig beiseite. Jane mochte vieles gewesen sein, ich fand ja täglich mehr über sie heraus, aber als Sadistin konnte man sie wirklich nicht bezeichnen.
    Ich setzte mich mit dem Rücken zu Carey Oslands Haus auf eine der Betonbänke. Von hier aus hatte ich wieder fast die gesamte Sonnenterrasse der Rideouts im Blick, diesmal ohne eine rotgekleidete Marcia. Ich sah auch noch ein Stück sauber gemähten Rasens und eine Fläche, auf der im Jahr zuvor wohl ein Gemüsegarten angelegt worden war. Den rückwärtigen Teil des Rideout-Grundstücks konnte ich nicht sehen, er verbarg sich hinter den Büschen meines eigenen Gartens. Aber ein kleines Stück von Macon Turners Garten, der hinter dem Grundstück der Rideouts lag, erkannte ich. Hier überwogen hohe Büsche und wild wucherndes Gras. „Ich sollte einmal nachts hier herauskommen“, dachte ich, „um festzustellen, inwieweit ich durch die Fenster hindurch beobachten konnte, was sich innerhalb der Häuser abspielte.“
    Langsam wurde es heißer. Mein Magen war voller Braten und Erdnussbutter. Ich verfiel in eine Art Trance, in der ich im Geiste Menschen in den Gärten hin- und herschob und sie verschiedene Morde begehen ließ.
    „Was machen Sie da?“, erkundigte sich hinter mir eine neugierige Stimme.
    Entsetzt sprang ich auf und drehte mich um.
    Vor mir stand ein kleines Mädchen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, vielleicht auch etwas älter. Es trug kurze Hosen und ein rosa T-Shirt, hatte kinnlanges, lockiges, dunkles Haar, große, dunkle Augen und eine Brille.
    „Ich sitze hier“, sagte ich angespannt, „und was machst du?“
    „Meine Mama schickt mich. Sie fragt, ob Sie nicht rüberkommen und einen Kaffee mit ihr trinken wollen.“
    „Wer ist denn deine Mama?“
    Ich wusste nicht, wer ihre Mama war? Das fand die Kleine witzig.
    „Carey Osland!“ Sie lachte. „In dem Haus da.“ Mit großer Geste deutete sie auf das Haus der Oslands, inzwischen offensichtlich in dem Glauben, es mit einer geistig Behinderten zu tun zu haben.
    Der hintere Garten der Oslands bot freien Blick auf ihr Haus, hatte er doch so gut wie keine Büsche oder andere Pflanzen aufzuweisen. Auf der Rasenfläche gab es eine Schaukel und einen Sandkasten, und die Straße, die auf der anderen Seite des Hauses verlief, war ebenfalls gut zu sehen.
    Das war also das Kind, das an dem Abend, als sein Vater das Haus verließ, um nie wiederzukommen, Windeln gebraucht hatte.
    „Ich trinke gern Kaffee mit deiner Mama“, sagte ich. „Wie heißt du denn?“
    „Linda. Kommen Sie.“
    Also folgte ich Linda hinüber in das Haus ihrer Mutter. Was Carey mir wohl zu sagen hatte?
     

     
    Carey, das wurde schnell klar, hatte nur gastfreundlich sein wollen.
    Sie hatte am Tag zuvor ihre Tochter aus dem Sommerlager abgeholt, um dann den Sonntagmorgen damit zu verbringen, Lindas kurze Hosen und Blusen zu waschen, die unglaublich dreckig gewesen waren, sie hatte sich Lindas Geschichten aus dem Feriencamp angehört und sehnte

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