Knochenerbe
zu leben. Madeleine scheint ja sehr an diesem Haus zu hängen.“
„Vielleicht nehme ich eins der Jungen.“ Aubrey sah den Kätzchen gedankenvoll zu. „In meinem Häuschen kann es sehr einsam werden. Vielleicht ist es nett, wenn einen beim Heimkommen eine Katze erwartet. Allerdings bin ich ja auch oft eingeladen. So wie heute: Eine Familie, die zur Gemeinde gehört, hatte mich zum Mittagessen eingeladen.“
„Ich wette, du hast nicht so gut gespeist wie ich!“ Ich berichtete von Sallys Schmorbraten, er sagte, bei ihm hätte es Truthahn gegeben, und so hockten wir eine Weile Knie an Knie auf dem Bett und redeten übers Essen. Auch Aubrey kochte nicht oft für sich allein.
Wieder klingelte es an der Tür.
Wir hatten es gerade so gemütlich zusammen … Ich musste das starke Bedürfnis unterdrücken, etwas sehr Unhöfliches von mir zu geben.
Ich ließ Aubrey bei den Kätzchen, die ihn nach wie vor faszinierten, im Schlafzimmer und ging ins Wohnzimmer, um die Tür zu öffnen.
Auf meiner Schwelle stand Marcia Rideout, hellwach und sehr anziehend in weißen Baumwollshorts und hellroter Hemdbluse. Sie strahlte. Momentan war sie ganz sicher nicht betrunken, sondern, wie gesagt, hellwach und vergnügt.
„Schön, Sie wiederzusehen!“, begrüßte sie mich, immer noch lächelnd.
Wie perfekt sie geschminkt war! Wieder konnte ich nur staunen. Der Lippenstift sah aus wie von einem Profi aufgetragen, der Lidschatten war zart, aber unübersehbar, das Haar glänzte in einheitlichem Gold und war zu einem glatten Pagenkopf hinter die Ohren gekämmt. An den herrlich gebräunten Beinen war kein Härchen zu sehen. Selbst die weißen Tennisschuhe zierte nicht ein einziger Grasfleck.
„Hallo, Marcia“, sagte ich eilig, als mir klar wurde, dass ich sie angestarrt hatte wie ein Fisch.
„Ich will Sie nicht lange aufhalten!“ Meine neue Nachbarin gab mir einen kleinen Umschlag. „Torrance und ich geben Mittwochabend auf unserer Sonnenterrasse eine kleine Party, um Sie in der Nachbarschaft willkommen zu heißen.“
„Ja, aber …“
„Nein, sagen Sie nichts! Wir wollten sowieso mal wieder zu einem Grillabend einladen. Dass Sie Janes Haus geerbt haben, liefert uns den perfekten Anlass. Außerdem haben wir noch zwei neue Nachbarn auf der anderen Straßenseite, die kommen auch. Dann können sich gleich alle kennenlernen! Ich weiß, die Einladung kommt etwas spät, aber Torrance muss Freitag auf Reisen und wird Samstag erst spät zurück sein.“ Marcia schien wie ausgewechselt, nichts erinnerte mehr an die träge, angetrunkene Frau, die ich neulich kennengelernt hatte. Die Aussicht auf eine Party und Gäste schien sie zu beleben.
Wie konnte ich da nein sagen? Die Vorstellung, mit Lynn und Arthur auf einer Party geehrt zu werden, war zwar nicht gerade prickelnd, aber ablehnen kam in diesem Fall nicht in Frage.
„Bringen Sie ruhig jemanden mit, wenn Ihnen danach ist“, sagte Marcia. „Oder kommen Sie allein, ganz wie Sie wünschen.“
„Es würde Ihnen wirklich nichts ausmachen, wenn ich jemanden mitbrächte?“
„Aber nein! Einer mehr macht nicht den geringsten Unterschied. Haben Sie schon jemanden im Sinn?“, fragte Marcia, und perfekt gezupfte Brauen schossen kokett in die Höhe.
„Ja.“ sagte ich lächelnd und hoffte inständig, Aubrey möge nicht ausgerechnet jetzt aus dem Schlafzimmer auftauchen. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie Marcias Brauen bei seinem Anblick glatt bis zum Haaransatz flogen.
„Schön.“ Meine Zurückhaltung schien Marcia nicht zu passen. „Natürlich geht das in Ordnung. Kommen Sie, wie Sie sind, Sie müssen sich nicht extra schick machen. So sind wir nicht.“
Was auf Torrance zutreffen mochte, aber gewiss nicht auf Marcia.
„Soll ich etwas mitbringen?“
„Nur sich selbst“, erwiderte Marcia, und das musste sie ja sagen – wahrscheinlich würden die Partyvorbereitungen sie die nächsten drei Tage auf Trab halten und glücklich machen.
„Bis dann!“ Sie winkte mir zum Abschied freudestrahlend zu, hüpfte die Treppe hinunter und ging zurück zu ihrem eigenen Haus.
Ich nahm den Umschlag mit der Einladung darin mit zu Aubrey ins Schlafzimmer.
„Kannst du dir vorstellen, mit mir da hinzugehen?“ Ich streckte ihm die Einladung hin – wie schrecklich peinlich, wenn er jetzt nein sagte! Aber ich hatte sonst niemanden, den ich fragen konnte, und wenn ich schon auf eine Party ging, auf der auch Arthur und Lynn sein würden, dann auf keinen Fall ohne Begleiter.
Aubrey
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