Knochenerbe
erwiesen.
Nun legte sie ihr Dampfbügeleisen aus der Hand, um mich herzlich zu umarmen.
„Ich hoffe, Amina tut das Richtige!“, flüsterte sie mir ins Ohr.
„Da bin ich ganz sicher!“ Wieder stellte ich eine Überzeugung zur Schau, die ich nicht empfand. „Bestimmt ist er ein guter Mann.“
„Um den Mann mache ich mir keine Sorgen“, erklärte Miss Joe Neil überraschend. „Amina macht mir Kummer.“
„Wir müssen einfach hoffen, dass sie diesmal bereit ist, sesshaft zu werden“, mischte sich Mr. Days tiefe Stimme ein. Aminas Vater sang seit zwanzig Jahren Bass im Kirchenchor und würde das sicher weiterhin tun, bis ihm die Stimme versagte.
„Das hoffe ich auch“, musste ich eingestehen, woraufhin wir alle uns eine Weile leicht besorgt anschauten.
„Was für ein Kleid hätte Amina denn nun gern für mich?“, unterbrach ich das unbehagliche Schweigen.
Miss Joel schüttelte ein letztes Mal sorgenvoll den Kopf, ehe sie mich zu den Abendkleidern führte. „Mal sehen“, sagte sie. „Aminas Kleid ist mintgrün, wie gesagt, mit weißen Stickereien. Ich habe es hier, sie hat Verschiedenes anprobiert, als sie zur Vermählung deiner Mutter hier war. Da dachte ich noch, sie sei mit ihren Plänen in der ersten Phase und alles wäre noch recht vage, aber inzwischen bin ich sicher, dass sie damals schon eine Vorverlegung der Hochzeit in Erwägung zog.“
Das Kleid war herrlich. Amina würde wie ein amerikanischer Traum durch das Kirchenschiff schweben.
„Wie schön! Dann können wir mein Kleid ja prima darauf abstimmen!“ Ich gab mich zuversichtlich.
„Ich habe schon mal nachgesehen, was wir in deiner Größe haben. Es gibt ein paar Kleider, die fabelhaft zu diesem Grün passen würden. Du könntest sogar ein Kleid in einer ganz anderen Farbe tragen, solange es einfarbig ist, und wir flechten dir einfach ein paar grüne Schleifen in deinen Strauß, damit man sieht, dass du zur Braut gehörst …“
Schon steckten wir mitten im üblichen Hochzeitsgeplauder.
Wie gut, dass ich mein Haar an diesem Tag zu einem Zopf geflochten hatte, denn es hätte sich bei all dem Rein und Raus schnell in ein Krähennest verwandelt. Auch so knisterte es vor Elektrizität, und einzelne Härchen klebten mir im Gesicht, als ich fertig war. Eins der Kleider stand mir gut und passte auch zu Aminas, also kaufte ich es, obwohl ich es höchstwahrscheinlich nach der Hochzeit nie wieder anziehen würde. Mrs. Day bestand anfangs darauf, es selbst zu bezahlen, aber ich kannte meine Brautjungfernpflichten. Schließlich überließ sie es mir zum Einkaufspreis, und wir waren beide zufrieden. Aminas Kleid hatte lange, durchsichtige Ärmel mit festen Manschetten, einen unauffälligen Ausschnitt, ein besticktes Mieder und einen weiten Rock, schlicht genug, um den Brautstrauß zur Geltung zu bringen, aber auch elegant genug, um festlich zu wirken. Mein Kleid hatte kürzere Ärmel, aber denselben Ausschnitt und war pfirsichfarben mit einem mintgrünen Kummerbund. Ich würde mir ein paar hochhackige Schuhe passend zum Kleid färben lassen, vielleicht gingen sogar die Schuhe, die ich hatte einfärben lassen, damit sie zum Kleid für Linda Erhardts Hochzeit passten. Ich versprach Miss Joel, die Schuhe vorbeizubringen, damit wir das prüfen konnten, denn mein Kleid musste vorerst noch im Laden bleiben, weil es gekürzt werden sollte.
Alles in allem hatte die ganze Sache gerade mal anderthalb Stunden gedauert. Mit Grauen erinnerte ich mich an den Tag, an dem ich mit Sally Saxby, deren Mutter und vier weiteren Brautjungfern auf Kleidersuche gegangen war: Die Expedition hatte einen ganzen, schier nicht enden wollenden Tag verschlungen. Danach hatte es eine Weile gedauert, bis ich Sally wieder so gern haben konnte, wie ich sie vor unserem Aufbruch zur Kleiderjagd in Atlanta gehabt hatte.
Inzwischen war Sally bereits seit zehn Jahren Mrs. Hunter, mit einem Sohn, der fast so groß war wie ich und einer Tochter, die Klavierstunden nahm.
Aber nein, ich würde jetzt nicht in Selbstmitleid versinken! Das Kleid war gefunden, was eine prima Sache war, und ich fuhr bei Mutters Büro vorbei, was auch eine gute Sache war. Danach würde ich die Katzen in Janes Haus besuchen – ich versuchte gerade, mir anzugewöhnen, es das „neue“ Haus zu nennen – und mir danach irgendwo ein leckeres Mittagessen gönnen.
Auf dem Parkplatz hinter dem Haus, das meine Mutter als Bürohaus nutzte, durfte ich feststellen, dass niemand es gewagt hatte, ihre Parklücke
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