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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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Besucherstuhl ihm gegenüber, und Natascha nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz. Schließlich beendete Winterberg das Telefonat, atmete laut aus und fuhr sich mit beiden Händen durch seine Locken.
    »Was ist los?«, fragte Natascha. »Gibt es Neuigkeiten von René?«
    Winterberg sah sie an und nickte nachdenklich. Er wirkte, als müsste er erst noch seine Gedanken sortieren. In Natascha keimte der Verdacht auf, dass er schlechte Nachrichten bekommen hatte.
    »Lorenz hat gerade angerufen. Er war in der Schule, hat mit der Schulleiterin und Renés Stufenleiterin gesprochen. Und du glaubst nicht, was sie ihm erzählt haben.«
    »Was?«
    »Der Junge war am Freitag gar nicht in der Schule! Und sein Vater hat gestern die Schule angerufen – und er hat nicht erzählt, dass sein Sohn verschwunden ist, sondern hat ihn rückwirkend krankgemeldet und offen gelassen, wann er wiederkommt. Die Lehrerinnen wussten noch nicht einmal, dass er vermisst wird. Sie dachten wirklich, René hätte die Sommergrippe. Was sagt man dazu?«
    Natascha glaubte, sich verhört zu haben. »Moment mal: Du erzählst mir gerade, dass René womöglich schon länger verschwunden ist und dass seine Eltern ihn bei der Schule krankmelden, anstatt zu fragen, ob da jemand eine Ahnung hat, wo ihr Sohn sein könnte?«
    Winterberg stand auf und öffnete das Fenster. Der Straßenlärm drang in den kleinen Raum, aber auch eine warme Brise. Nataschas Kollege stützte sich auf die Fensterbank und starrte nach draußen. »Ja, genau das. Was denkst du darüber?«
    Er drehte sich wieder zu ihr um, als erwarte er sogleich eine Antwort, doch Natascha musste zunächst nachdenken. Sie rief sich die Atmosphäre in dem perfekten Wohnzimmer der Staudts in Erinnerung, die verschwörerischen Blicke, die sich die Eltern zugeworfen hatten. Dann dachte sie an die viel zu späte Vermisstenmeldung, und plötzlich kam ihr ein Verdacht.
    »Das Verhalten der Eltern ist äußerst seltsam. Wieso haben sie uns gegenüber behauptet, René wäre am Freitag nach der Schule nicht nach Hause gekommen – wo es doch überhaupt nicht klar war, ob er zur Schule gegangen ist? Womöglich hat er das Haus erst gar nicht verlassen, jedenfalls nicht, um zur Schule zu gehen. Dann diese komische Erklärung, dass jeder seine eigenen Wege geht und man sich deswegen so selten sieht. Und das, obwohl sie doch alle drei in ein und demselben Haus wohnen! Das fand ich schon während des Gesprächs seltsam.« Natascha schüttelte empört den Kopf. »Da ist doch was faul! Meinst du nicht auch, die Eltern haben etwas mit seinem Verschwinden zu tun?«
    Winterberg hob eine Hand, als wollte er sie ermahnen, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. »Da bin ich mir nicht so sicher. Doch wir müssen uns die Eltern auf jeden Fall noch einmal vorknöpfen. Ich habe auch kein gutes Gefühl bei ihnen.«
    »Wann fahren wir? Jetzt?« Natascha blickte ungeduldig auf ihre Uhr. »Es ist zehn vor zwölf. Ist dann überhaupt jemand zu Hause?«
    »Ich werde sie gleich anrufen«, erwiderte Winterberg und nahm erneut den Telefonhörer in die Hand. Er schob Papiere beiseite, um auf seine Schreibtischunterlage blicken zu können, die mit handschriftlichen Notizen übersät war. Er fuhr mit dem Zeigefinger über das große Blatt, offenbar suchte er nach der Telefonnummer der Staudts.
    »Ich melde uns an. Iss in der Zwischenzeit etwas, der Tag könnte lang werden. Gehst du zum Bäcker?« Er sah zu ihr auf; als sie nicht sofort antwortete, fuhr er rasch fort: »Wenn ja, kannst du mir was mitbringen. Eine Pizzaschnecke. Und vielleicht noch eine Nussecke.« Dann blickte er wieder auf seine Notizen. Endlich schien er die Nummer gefunden zu haben, denn er klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter.
    Natascha wollte nicht mehr länger warten. »Ja, mach ich«, sagte sie und ging in den Flur.
    Eigentlich hatte sie nicht zu einer der Bäckereien im großen Einkaufszentrum gehen wollen, das neben der Polizeidienststelle lag. Sie hätte lieber die Kantine des Finanzamtes aufgesucht, die nur wenige Hundert Meter entfernt lag und von einigen Mitarbeitern der Polizei, die keine eigene hier hatte, gerne genutzt wurde.
    Bei vielen Kollegen hatte sich jedoch ein schneller Besuch im Einkaufszentrum eingebürgert. Dort gab es Imbissstuben aller Art, in denen man Pizzen oder Pommes, Döner oder Fischbrötchen kaufen konnte, und mehrere Bäckereien sowie einen Supermarkt. Manchen Kollegen, vor allem denen, die viel am Schreibtisch saßen, sah

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