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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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plapperte munter weiter. »Weißt du, ich hab dann zu ihr gesagt: ›Mit mir kannst du das nicht machen. Wenn du jemanden zum Herumkommandieren brauchst, dann schaff dir einen Hund an.‹ Und weißt du, was sie daraufhin gesagt hat?«
    »Natürlich nicht, ich war ja nicht dabei«, erwiderte Jonas und verlangsamte sein Tempo. Vielleicht würde er ja so Timos Redeschwall entkommen.
    Doch der Versuch war vergeblich. Auch sein Freund ging langsamer, während er weiterredete. »›Ja‹, hat sie gesagt, ›das mache ich auch!‹ Und dann ist sie einfach gegangen. Hat ihre Tasche geschnappt, die Sachen eingepackt und ist gegangen. Unglaublich, oder?«
    Jonas zuckte nur stumm mit den Schultern. Es war ohnehin egal, ob er antwortete.
    »Die kann mich doch nicht einfach mit dem ganzen Kram sitzen lassen! Wir müssen bis nächste Woche den Text über Ovid verfassen, und allein schaffe ich das nicht. Was soll ich denn mit einer Lerngruppe anfangen, wenn keiner mehr zu den Treffen kommt?«
    »Vielleicht hast du einfach überreagiert?«
    Timo blieb stehen und sah ihn entrüstet an. »Ich? Überreagieren? Wie hättest du dich denn bei diesem Gezicke verhalten?«
    »Weiß nicht. Einfach nicht hinhören. Das merken die Weiber doch eh nicht, wenn sie sich aufregen.«
    »Da sieht man es mal wieder: Du hast keine Ahnung, wie Lerngruppen mit Frauen funktionieren.« Timo klang gekränkt.
    Es war höchste Zeit, ihn wieder sanfter zu stimmen, fand Jonas und schlug ihm kumpelhaft auf die Schulter. »Ach Timo, Informatikerlerngruppen sind auch kein Spaziergang. Manchmal wäre mir ein bisschen Gezicke lieber als dieses Profiliergehabe, das die anderen immer wieder zeigen. Wenn jeder glaubt, er hätte den Längsten, kann das ganz schön nervig werden.«
    »Na ja, egal. Die braucht den Seminarschein doch auch, also wird sie wieder auftauchen. Wart’s nur ab, heute Nachmittag im Seminar versucht sie bestimmt wieder, sich bei mir einzuschleimen. Und jetzt lass uns mal das Thema wechseln. Immerhin sind wir zum Cachen hier.«
    »Hab ich vorhin doch schon gesagt.«
    Die beiden gingen jetzt noch langsamer.
    Jonas konnte sich wieder auf die Umgebung konzentrieren, da Timo endlich schwieg. Er holte tief Luft, als könnte er sie so in seinem Innern konservieren. Sie war klar und leicht und roch nach Hochsommer. Jonas bemerkte, dass an manchen Stellen noch der Morgentau auf Blättern und Sträuchern lag. Nur allmählich löste die Sonne das Wasser auf den Pflanzen zu Dunst auf, der emporstieg und sich in wabernde Wolken verwandelte, die zwischen den Bergspitzen umherzogen.
    Jonas blieb stehen und betrachtete andächtig das kleine Naturschauspiel. Nach einer kleinen Weile schaute er zur Grasnarbe auf der Suche nach einem alten Grenzstein. Sie befanden sich im Grenzgebiet von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, und hier in der Umgebung gab es etliche Steine, die die Trennlinie zwischen den Bundesländern markierten. Und an einem dieser Grenzsteine sollte sich die gut versteckte Dose befinden.
    »Lass uns doch hier mal anfangen zu suchen!«, rief Jonas seinem Freund zu, der inzwischen ein Stück weitergegangen war.
    Doch Timo, der den Blick auf das GPS-Gerät in seiner Hand geheftet hatte, widersprach ihm energisch: »Ich habe mir die Zahlen vom Cachebesitzer bestätigen lassen. Wir müssen noch ein Stückchen weiter. Da vorn ist es irgendwo.« Timo blickte kurz auf und wies auf eine schmale Lücke im Wald. »Außerdem ist hier weder platt gedrücktes Gras noch irgendeine andere Spur.«
    Sie hörten die Laute eines Käuzchens, das sich offenbar ganz in der Nähe im dichten Laub versteckt hielt.
    »Aber siehst du nicht die Fährte dahinten?«, entgegnete Jonas. »Ich denke, dass wir da hinmüssen.«
    Die beiden jungen Männer gingen zu der von Jonas entdeckten Spur. Vor ihnen lag ein Trampelpfad, der von Gestrüpp überwuchert war.
    Sie würden sich Arme und Beine zerkratzen, aber was tat man nicht alles für eine Tupperdose, dachte Jonas. Jetzt, wo das Ziel so nah war, geriet er wieder in diese eigentümliche Anspannung. Wie bei der letzten Seite einer Klausur, wenn die Aufgaben zwar lösbar waren, aber die Zeit verdammt knapp wurde.
    Entschlossen schob er Gestrüpp beiseite, bog Zweige auseinander und bückte sich unter dichtem Geäst hindurch. Der Pfad endete schließlich an einer lang gezogenen, von Laubbäumen gesäumten Lichtung.
    Ein Specht hämmerte, blieb kurz still und hämmerte ein weiteres Mal, als ob er sie mithilfe von Morsezeichen warnen

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