Knochenfinder
malen.
»Natascha! Lorenz!«
Winterberg riss sie abrupt aus ihren Gedanken. Sie sprang auf und ging zu ihm, Lorenz kam von der Grillhütte her. Auch Schmitz eilte herbei.
Winterberg sah aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. »Es ist wieder passiert. Die Kollegen haben in den anderen beiden Cacheverstecken noch weitere Finger gefunden.«
Natascha merkte, wie ihr übel wurde; schlammig braun sah die Empfindung aus. Sie hielt sich an Lorenz’ Arm fest und legte die andere Hand auf die Magengegend. Sie würde sich doch jetzt nicht übergeben!
»Natascha, ist alles klar?« Lorenz strich ihr mit der freien Hand unbeholfen über die Schulter.
»Geht schon.« Mit tiefen Atemzügen versuchte sie, wieder Herrin über ihren Körper zu werden. Es half, wenn auch langsam. Sie ließ Lorenz los und murmelte eine kurze Entschuldigung, aber niemand achtete darauf. Die neuen Erkenntnisse waren viel zu schockierend.
Winterberg sah seine Kollegen an. »Okay, wir haben Alarmstufe rot. Wir konzentrieren uns jetzt ausschließlich auf die Suche nach René Staudt, alles andere wird bis auf Weiteres hintangestellt. Die Suche läuft ja bereits an; und die angeforderten Suchmannschaften werden bald zu uns stoßen. Entweder weise ich nachher die neuen Leute ein – oder du, Lorenz. Ansonsten kümmerst du dich um die Zusammenfassungen und koordinierst die Suche. Ich werde wie geplant mit Natascha zu Renés Eltern fahren, auch wenn wir da jetzt definitiv nichts Gutes mehr zu erzählen haben. Schmitz, du kümmerst dich um die Laboruntersuchungen.«
Winterberg war voll in seinem Element, verteilte Anweisungen und koordinierte die Arbeit der Kollegen. Jeder kannte seine Aufgaben. Jetzt mussten sie richtig loslegen. Neue Energie durchflutete sie und stachelte ihren Ehrgeiz an.
»Wir treffen uns um halb drei zu einer ersten Zwischenbesprechung im Sitzungsraum«, erklärte Winterberg zum Schluss. »Und bringt mir bis dahin vernünftige Hinweise mit – oder den Jungen. Bis dahin!«
Er trabte zu seinem Auto. Kies flog beiseite, die Fernsteuerung des Autos piepte. Natascha folgte ihm rasch. Sie mussten René finden, bevor es zu spät war!
Kapitel 28
Renés Eltern waren in kürzester Zeit gealtert.
Michael Staudt wirkte kleiner und eingefallen, auch seine Frau hatte ihre aufrechte Haltung verloren. Ihre Haare standen wirr vom Kopf ab, unter den Augen hatten sich dunkle Tränensäcke gebildet. Sie war ungeschminkt und wirkte bleich und mitgenommen. Alkoholdunst waberte um sie herum.
Auch das Wohnzimmer war verändert; offensichtlich hatten beide die wohlgehütete Fassade bürgerlicher Ordnung aufgegeben. Auf dem Sofa lag eine zusammengeknüllte Wolldecke; zwei Weinflaschen waren unter den Sofatisch gerollt, auf dem zwei Teller und eine Tasse standen. Die Tischdecke war verrutscht und mit Krümeln übersät. Kalter Zigarettenrauch erfüllte den Raum.
»Wir haben neue Erkenntnisse über René«, verkündete Winterberg. »Sollen wir uns nicht lieber setzen?«
Er wartete, bis Staudts sich gesetzt hatten, dann nahm er wie beim letzten Mal auf der Couch Platz. Natascha setzte sich neben ihn auf die Sofalehne – bereit, sofort aufzuspringen, falls dies nötig sein würde.
Karin Staudt führte eine zitternde Hand zum Mund und knetete ihre Unterlippe. »Ist es schlimm? Ich meine, ist ihm was Böses passiert?« Sie sah Winterberg mit aufgerissenen Augen an.
Winterberg nickte leicht. »Es gibt deutliche Hinweise auf ein Gewaltverbrechen.«
Sie schloss die Augen und stöhnte.
Michael Staudt drückte unbeholfen ihren Unterarm. »Wie geht es ihm?«
»Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht«, antwortete Winterberg. »Es gibt aber Hinweise darauf, dass er zumindest am Sonntag noch gelebt hat.«
»Sonntag.« Karin Staudt wimmerte. »Am Sonntag hat er noch gelebt. Und was bedeutet das? Wie steht es jetzt um ihn?«
Natascha stand auf, ging zu ihr und hockte sich neben den Sessel. »Wir haben ein Großaufgebot zusammengestellt, das nach René sucht. Es sind ganz viele Leute dabei: freiwillige Helfer vom Technischen Hilfswerk, dem Roten Kreuz und viele Feuerwehrleute. Alle werden uns helfen, Ihren Sohn wiederzufinden.«
»Was genau ist ihm passiert?«, verlangte Staudt zu wissen. »Sie haben gesagt, dass es ein Gewaltverbrechen gegeben hat.«
Natascha blieb neben seiner Frau, während Winterberg antwortete: »Wir gehen davon aus, dass ihm wahrscheinlich Finger amputiert wurden.«
Karin Staudts Kopf ruckte nach oben. »Was?«
Ihre Stimme war
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