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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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versuchte, zur Abwechslung ein normales Leben ohne Auflehnung und pubertäre Machtkämpfe zu führen.
    Winterberg fühlte für einen kurzen Moment eine tiefe innere Ruhe. Er saß hier gemütlich am Familientisch, seine Frau hatte ein verführerisch gutes Essen gekocht, und seine Söhne trugen es einträchtig auf.
    Doch dann kamen wieder die Gedanken an René Staudt und an Lorenz, der wahrscheinlich immer noch an dem Fall arbeitete. Er konnte wohl einfach nicht abschalten.
    Während des Essens herrschte eine ruhige, entspannte Atmosphäre. Niklas hatte viel von seiner Anspannung verloren, mied aber Winterbergs Blick. Und Fabian tat so, als hätte es niemals irgendwelche Konflikte in der Familie gegeben.
    »Der Meier fällt für den Rest des Schuljahres aus«, plauderte er. »Für ihn bekommen wir jetzt eine neue Physiklehrerin. Eigentlich ist sie keine Lehrerin, sondern eine richtige Physikerin von der Uni. So eine Quereinsteigerin. Vielleicht hat die es ja besser drauf als der Meier. Der ließ uns ja noch nicht einmal Versuche machen, sondern hat uns alles nur in der Theorie erzählt. Furchtbar öde, sag ich euch ...« Er brach ab und schob sich einen Bissen Moussaka mit der Gabel in den Mund.
    Niklas grinste. »Der Meier war schon öde, als ich den noch hatte. Da sehe ich keine Chance auf Besserung.«
    Winterberg nahm noch einen Schluck Wein. Er kannte nicht einmal die Lehrer seiner Söhne beim Namen, stellte er resigniert fest.
    »Ist er wegen seines Herzproblems krankgeschrieben?«, erkundigte sich Ute, woraufhin Fabian mit vollem Mund nickte.
    Im Unterschied zu ihm selbst gelingt es seiner Frau spielend, am Gespräch der Söhne teilzunehmen, dachte Winterberg. Unwillkürlich ärgerte er sich darüber. Er war doch auch noch da! Aber wenn die anderen ihn aus ihren Gesprächen ausschlossen, dann würde er sich eben selbst einbringen.
    »Erzählt mal – was macht ihr so in der Pause?«, forderte er unvermittelt seine Söhne auf.
    Fabian und Niklas sahen ihn irritiert an.
    »Warum fragst du?«, wollte sein Jüngster wissen, der nun die Arme vor dem Oberkörper verschränkte.
    Winterberg stellte erstaunt fest, wie muskulös Fabian geworden war, und antwortete: »Na ja, ich hab einfach keine Ahnung mehr davon, was man so in den Pausen treibt. Spielt ihr Tischtennis, oder ärgert ihr die Mädchen?«
    Fabian prustete los. »Mensch, Papa, wie abgedreht! Tischtennis spielt man höchstens in der Unterstufe, und Mädchen ärgern gehört in die Grundschule. Wir quatschen halt, hören Musik, hocken rum. Was man halt so macht. Aber warum willst du das wissen?«
    Niklas bewegte den Kopf und sah seinen Vater schräg von der Seite an; eine schwarze Strähne fiel ihm dabei ins Gesicht. »Es geht gar nicht um die Pausen, sondern um diesen Vermissten aus unserer Schule. Um den roten René.«
    »Ach so.« Fabians gute Laune war auf einmal wie weggewischt. »Aber ich kenne den gar nicht. Der ist doch in der Oberstufe; die haben einen ganz anderen Schulhof als wir.«
    »Aber ihr habt beide schon von ihm gehört. Was erzählt man sich so? Welche Gerüchte gehen um?«
    Die beiden Jungs sahen einander an.
    Nach einem kurzen Moment zeigte Niklas mit der Gabel auf Fabian. »Du.«
    »Na gut.« Fabian blies die Wangen auf. »Ich hab gehört, dass sein Vater ihn rausgeschmissen hat und dass er jetzt irgendwohin abgehauen ist. Manche behaupten, er sei im Ausland.«
    »Sonst nichts?«, fragte Winterberg.
    Fabian sah auf seinen Teller. »Doch. Jemand hat auch erzählt, dass er sich Finger abgeschnitten hat und die im Wald versteckt, damit andere sie finden.« Er hob den Kopf an und blickte Ute und Winterberg an. »Aber das ist natürlich absoluter Blödsinn, das ist voll Psycho. Niemand macht so was. Oder?« Er sah seinen Vater fragend an.
    Doch anstatt ihm zu antworten, blickte Winterberg zu Niklas. »Und welche Varianten kennst du?«
    Niklas hob die Schultern an und pikste konzentriert Salatblätter auf seine Gabel. »Auch nur die. Und dass er abgehauen ist wegen der Sauferei von seiner Mutter.«
    Winterberg nahm noch einen Schluck Wein und sah seine Söhne an. »Möglicherweise war René in eine Sache verwickelt, die sich dann vielleicht verselbstständigt hat. Habt ihr davon auch was gehört?«
    Fabian sah ihn erneut fragend an. »Was für eine Sache?«
    »Gewaltvideos.«
    »Was für Gewaltvideos?«, entfuhr es Ute, die demonstrativ ihr Besteck beiseitelegte. Sie sah erschrocken und gleichzeitig neugierig aus. »Weißt du mehr darüber,

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