Knochenfunde
erbrach sie sich.
Niemand war da. Das Haus war leer. Niemand konnte ihr helfen.
Sie musste zum Telefon.
Sie war zu schwach, um zu gehen. Auf allen vieren kroch sie
durch den Flur zurück ins Schlafzimmer. Es schien meilenweit weg zu sein, und mehrmals war sie gezwungen anzuhalten, weil sie wieder würgen musste.
Ihre Rippen…
Das Telefon… 911… Die Leitung war tot.
Sie versuchte, die Vermittlung zu erreichen. »Helfen… Sie mir.
Bitte, helfen Sie…«
Das Telefon fiel ihr aus der Hand. Gleich würde sie ohnmächtig werden.
Nicht hier. Hier würde sie sterben.
Der Balkon. Vielleicht würde jemand sie sehen. Vielleicht könnte sie um Hilfe rufen…
Sie schaffte es nicht.
Also gut. Sie würde bei Bonnie sein. Warum kämpfte sie so verzweifelt? Es wäre so leicht, einfach aufzugeben.
Joe.
Sie kroch weiter. Mit Mühe erreichte sie den Balkon. Sie drückte ihre Wange gegen das schmiedeeiserne Geländer. Das Metall fühlte sich kalt und feucht an…
Draußen war niemand zu sehen, und die Häuser waren zu weit weg, als dass sie jemand hören könnte, wenn sie um Hilfe rief. Dunkel und riesig erhob sich die Kirche vor dem Nachthimmel.
»Hilfe…« Ihr sinnloser Ruf war kaum zu hören. Gott, wenn das Würgen wenigstens aufhören würde. »Hilfe…«
Sie sank zu Boden, ihr Gesicht berührte die Fliesen. Den Sumpf konnte sie nicht mehr sehen, nur noch die dunklen Umrisse der Kirche. Sie füllte ihr gesamtes Gesichtsfeld aus. War das das Letzte, was sie in ihrem Leben sehen würde…
Dunkelheit.
»Nein. Sie dürfen nicht schlafen. Noch nicht.«
Sie öffnete die Augen.
Sie wurde die Treppe hinuntergetragen.
Ein Mann… dunkles Haar… In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht erkennen, aber seine Stimme klang verzweifelt.
Verzweifelt? Warum?, fragte sie sich benommen. Sie war doch diejenige, die starb.
»Wir sind gleich da. Halten Sie durch.«
Wo würden sie gleich sein?
Erneut musste sie würgen, aber es war nichts mehr in ihrem Magen, das sie hätte erbrechen können.
O Gott, wie ihre Rippen schmerzten.
»Bist du da? Ich komme, Bonnie.«
»Wag es nicht. Deine Zeit ist noch nicht gekommen.« Bonnie beugte sich über sie. »Du musst kämpfen, Mama.«
»Zu müde. Zu traurig.«
»Das spielt keine Rolle. Es wird alles wieder gut werden. «
»Ich will bei dir sein.«
»Du bist bei mir. Immer. Warum willst du mir das nicht glauben?«
»Ich bin zu müde… Ich muss… aufgeben.«
»Nein, das musst du nicht. Ich lasse es nicht zu. Hörst du mich, Mama? Ich lasse es nicht zu…«
Das Haus war dunkel, aber er schaltete kein Licht an. Er lief durch das Foyer und dann den Korridor hinunter.
Schnell. Er musste sich beeilen. Er wusste nicht, wie viel Zeit er hatte.
In der Küche roch es nach Zitrone und Seife, und der weiße
Kühlschrank schimmerte im Mondlicht, das durch das Fenster hereinfiel.
Schnell.
Er öffnete den Kühlschrank und nahm den einzigen geschlosse nen Behälter heraus. Er hob den Deckel an und betrachtete den Inhalt, bevor er den Kühlschrank wieder schloss. Dann wischte er den Griff ab und eilte zur Tür.
Geschafft.
Als er den Weg erreichte, wurde sein Blick von der Kirchentür angezogen, wie immer, wenn er in ihrer Nähe vorbeikam. Er spürte, wie sein Magen sich zusammenzog und ihn das Entsetzen packte.
Nein, es war nur zum Teil geschafft.
Er musste sich beeilen…
Weiß.
Überall weiß. Weiße Wände, weiße Laken auf ihrem Bett.
»Möchten Sie ein paar kleine Eiswürfel? Man hat mir gesagt, Sie würden wahrscheinlich danach verlangen, sobald Sie wach werden.«
Eine tiefe Stimme mit einem leichten britischen Akzent.
Ihr Blick wanderte zu dem dunkelhaarigen Mann, der neben ih rem Bett saß. Es dauerte einen Moment, bis sie ihn erkannte. »Galen?«
Sean Galen nickte. »Das Wasser?«
Sie nickte. Ihr Hals war so wund und trocken, dass jedes Wort ihr Schmerzen bereitet hätte.
Er hielt ihr das Glas an die Lippen. »Sie hängen an einem Tropf, damit Sie nicht dehydrieren, aber das hier wird Ihnen trotzdem gut tun.«
Es tat wirklich gut zu spüren, wie die kalte Flüssigkeit durch ihre Kehle lief. Auch wenn das Schlucken sehr schmerzhaft war.
»Was… machen Sie hier?«
»Das hat wehgetan, nicht wahr?« Galen lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich will versuchen, mir über einige Punkte Klarheit zu verschaffen. Ich werde Ihnen ein paar Fragen stellen. Sie brauchen nur zu nicken oder den Kopf zu schütteln. Sprechen Sie so wenig wie möglich. Sie
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