Knochenfunde
Geduld. Schließlich tat der Mann nur, wozu man ihn beauftragt hatte. »Und wenn Sie mir seine Telefonnummer geben, werde ich ihm das selbst sagen.«
»Sicher.« Tanzer schrieb die Nummer auf eine seiner Visitenkarten und reichte sie ihr. »Aber es könnte schwierig sein, ihn zu erreichen. Er ist ein sehr beschäftigter Mann. Und jetzt will ich Ihnen ein paar unserer Sehenswürdigkeiten zeigen…«
Während der nächsten Stunde fuhr Tanzer Eve kreuz und quer durch die Stadt und redete ohne Unterlass. Sie war zutiefst erleichtert, als er schließlich auf ein Haus mit weißen Säulen deutete. »Da sind wir. Ich habe Ihnen ja gesagt, es ist ein schönes Haus. Ein bisschen wie Tara in Vom Winde verweht. Sehr malerisch, und der Sumpf rundherum ist auch ganz hübsch. Sie werden sich fühlen wie in Venedig, und um diese Jahreszeit ist das Wetter hier bei uns auch nicht schlecht.«
Genau das hatte Joe auch gesagt. Hastig schob Eve den Gedan ken beiseite. Nicht an Joe denken. Leichter gesagt als getan. Joe war so sehr Teil ihres Lebens, dass alles sie an ihn erinnerte.
Tanzer half ihr aus dem Wagen. »Das Haus ist größtenteils unbenutzt und verschlossen. Aber Sie haben eine sehr schöne Wohnung.
Vier Zimmer und ein mit Marmor gefliestes Bad. Es gibt sogar eine gut bestückte Bibliothek. Ich habe dafür gesorgt, dass ein paar nette Liebesromane für Sie bereitstehen.« Er klopfte an die Tür. »Marie Letaux ist Köchin und Haushälterin. Sie ist eine echte Cajun, und sie hat ein Händchen für die einheimische Küche. Sie wurde uns wärmstens empfohlen, und wir schätzen uns glücklich, sie bekommen zu haben.« Eine kleine, dunkelhaarige Frau von etwa Ende dreißig öffnete die Tür. »Guten Tag, Marie. Das ist Ms Eve Duncan. Ich habe ihr gerade erzählt, was für eine phantastische Köchin Sie sind und dass Sie sich gut um Ihren Gast kümmern werden.«
Marie Letaux schaute ihn kühl an. »Ich bin Madame Letaux. Sie wird sich um sich selbst kümmern. Ich bin für die Küche und den Haushalt zuständig.«
Zum ersten Mal seit zwei Tagen war Eve nach Lächeln zumute, als sie sah, wie Tanzer zusammenzuckte. »Selbstverständlich, Madame Letaux«, sagte sie. »Das ist absolut in meinem Sinne.«
Die Haushälterin musterte sie eingehend, dann nickte sie langsam. »Nennen Sie mich Marie.«
»Danke.«
Tanzer rang sich ein Lächeln ab und wandte sich an Eve. »Ich trage Ihre Koffer nach oben in Ihr Zimmer. Ist es hier nicht genauso wunderschön, wie ich es Ihnen versprochen habe?«
Eve schaute sich im Foyer um. Das polierte Eichenparkett und die große Freitreppe hätten tatsächlich zu der Villa in dem Roman gehören können, den Tanzer eben erwähnt hatte. Überall teures Holz und kunstvolle Wandmalereien. »Es ist sehr schön.«
Das Schlafzimmer mit seiner vier Meter hohen Decke und dem riesigen Vierpfostenbett war sogar noch schöner. Eve warf ihre Handtasche auf die Tagesdecke aus Satin und trat auf den schmiedeeisernen Balkon mit Blick auf den Bayou.
Der Blick war beeindruckend. Die gewundenen Arme des Bayou schlängelten sich am Haus vorbei, und Zypressen und Weiden bildeten einen grünen Vorhang vor den Ufern. Eine kleine gewölbte Fuß brücke führte über das trübe Wasser des Sumpfs zu einer moosbewachsenen Insel. In einiger Entfernung erhob sich ein dunkles, bedrohlich wirkendes Gebäude, das sie –
»Hab ich nicht gesagt, dass es malerisch ist?«, fragte Tanzer hinter ihr. »Wie wär’s mit einem guten Abendessen in einem netten Fischrestaurant? Und dann machen wir noch eine Stadtrundfahrt.«
Gott, war der Mann penetrant. »Ich möchte nirgendwohin gehen.
Ich bin müde, und ich möchte einfach nur duschen und mich ausruhen. Vielen Dank für das Angebot. «
Er nickte. »Sehen Sie? Sie hätten sowieso nicht arbeiten können.
Da trifft es sich doch gut, dass Senator Melton noch in New York zu tun hat.«
»Ich bin selten zu müde zum Arbeiten.« Eve schaute wieder auf den Bayou. »Ist das die Kirche?«
»Ja.« Mit einer Kopfbewegung deutete Tanzer auf das prunkvolle Portal des halb verfallenen Gebäudes in einigen hundert Metern Entfernung. »Sehen Sie, sie liegt ganz in der Nähe.«
»Sie sieht ziemlich verlassen aus.«
»Vielleicht ist sie das auch. Ich habe keine Ahnung.«
»Ist der Schädel jetzt dort?«
Er zuckte die Achseln. »Das hat man mir nicht gesagt. Nur, dass Sie dort arbeiten werden.«
»An wen muss ich mich wenden?«
»Das wird Senator Melton Ihnen sagen.«
Es war, als
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