Knochenfunde
der seine Schnauze auf ihr Knie gelegt hatte, streng an. »Nicht betteln. Das ist unhöflich.«
»Das hältst du ja nicht mal durch, bis du zu Ende gegessen hast.«
»O doch. Er muss lernen – «
Das Telefon klingelte.
Jane seufzte. »Ich hatte schon befürchtet, du würdest nicht in Ruhe essen können.«
»Ich geh einfach nicht ran. Der Anrufbeantworter ist eingeschaltet.«
»Bring’s lieber hinter dich, sonst bekommst du vor lauter Nervosität noch Magenschmerzen.«
Joe nahm den Anruf entgegen. »Quinn.«
»Hier ist Carol. Die Gebissanalyse ist gekommen. Es ist George Andrew Capel, zweiundvierzig Jahre alt.«
Joes Hand umklammerte das Telefon. »Verdammt. Irgendwas Aufschlussreiches im Autopsiebericht?«
»Ich weiß nicht. Ich sehe mal nach. Ah, hier ist er. Sie haben ihn gerade erst gebracht. Todesursache Messerstich durch den Rücken ins Herz. Das andere waren nur geringfügige Wunden. Keine davon tödlich, aber extrem schmerzhaft. Sieht aus, als würde der Mörder seine Opfer quälen, bevor er sie tötet.«
»Kann sein. Vielen Dank, Carol.« Er legte auf.
»Joe?«, flüsterte Jane.
Er machte ihr Angst. »Alles in Ordnung. Es ist nur eine Sache, um die ich mich kümmern muss.«
»Eve?«
»Nein. Wie kommst du denn darauf? Du hast doch eben erst mit ihr gesprochen. Das war Carol auf dem Revier. Eine Polizeiangelegenheit.«
»Über Polizeiangelegenheiten regst du dich nie so auf.«
Sie war eine zu gute Beobachterin, und er war zu aufgewühlt, um seine Angst vor ihr zu verbergen. Er stand auf. »Ich muss ein paar Anrufe erledigen. Iss ruhig weiter. Ich bin gleich wieder da.«
Sie runzelte die Stirn, offenbar nicht zufrieden mit seiner Antwort. »In Ordnung. Aber dein Steak wird kalt.«
»Ich wärme es mir wieder auf.« Er würde sowieso nichts herunterbekommen. Essen war im Augenblick seine geringste Sorge. Das Grab. Der Bericht, der Eve zugeschickt worden war. George Capel.
Eves Auftrag in Baton Rouge. Alles passte zusammen.
Und das Bild, das sich daraus ergab, ließ ihn vor Angst fast erstarren.
»Er ist immer noch ziemlich hässlich, auch ohne die Stäbchen.«
Galen legte den Kopf schief und betrachtete den Schädel auf dem Sockel. »Vielleicht liegt es an den leeren Augenhöhlen.«
»Verschwinden Sie, Galen.«
»Kommt nicht in Frage. Es ist acht Uhr, und Sie arbeiten hier seit sechs Uhr heute früh. Zeit, Feierabend zu machen. Ich werde Sie nach Hause begleiten und Ihnen etwas kochen. Rick würde Sie glatt die ganze Nacht durch arbeiten lassen.«
»Ich bin noch nicht so weit.«
»Werden Sie ihn heute Abend fertig stellen?«
»Nein, auf keinen Fall. Ich habe noch gut vier Tage Arbeit vor mir. Vielleicht länger.«
»Dann sollten Sie sich lieber eine Ruhepause gönnen. Denn offenbar besteht ja kein Grund zur Eile.«
»Es besteht allerdings Grund zur Eile.«
»Nicht für Sie. Melton kann warten.«
Galen verstand das einfach nicht. Wenn sie mit der Arbeit an einem Schädel begann, kam der Drang, sich zu beeilen, von innen. Es war, als würde der Mensch, dessen Gesicht sie rekonstruierte, sie dazu antreiben, als würde er ihr zuflüstern: Finde mich. Hilf mir.
Bring mich nach Hause.
»Welche Farbe?« Galen betrachtete immer noch die Augenhöh len. »Woher wissen Sie, welche Augenfarbe Sie ihnen geben müssen?«
»Ich weiß es nicht. Normalerweise nehme ich Braun. Das ist die häufigste Augenfarbe. Warum machen die Augenhöhlen Sie so nervös?«
»Ich kannte mal einen Mann in Mozambique, dem von einem boshaften Kunden im Drogengeschäft die Augen ausgestochen worden waren. Er ist überraschend gut damit zurechtgekommen, aber mir lief jedes Mal ein Schauer über den Rücken, wenn ich ihn gesehen habe.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Es hat mich ganz verrückt gemacht. Ich hasse Verstümmelun gen. Das sollte niemand einem anderen Menschen antun.«
Eve drehte sich zu ihm um. »So aufgebracht habe ich Sie ja noch nie erlebt.«
»Das ist auch besser so. Ich kann ziemlich ungemütlich werden.«
»Zum Beispiel gegenüber dem ›boshaften Kunden aus dem Dro gengeschäft‹?«
»Niemand sollte das einem anderen Menschen antun«, antwortete Galen ausweichend. Dann lächelte er. »Jetzt haben Sie’s geschafft.
Sie haben mich dazu gebracht, über diese Abscheulichkeit nachzudenken, und jetzt bin ich völlig deprimiert. Sie müssen also mitkommen, damit ich Ihnen ein gutes Essen bereiten und das alles vergessen kann. Das ist die beste Therapie.«
»Das ist Manipulation.« Sie
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