Knochenfunde
Jules konnte den Zorn heraushören. »Mitsamt dem Schädel?«
»Ja. Aber keine Sorge, ich werde sie finden.«
»Sie hätte Ihnen nie entwischen dürfen, Hebert. Ihr Auftrag lautet, Sie sollen dafür sorgen, dass sie den Schädel rekonstruiert, und sie dann verschwinden lassen. Wo zum Teufel waren Sie letzte Nacht? Warum haben Sie sie nicht bewacht?«
»Ich musste in Boca Raton nach dem Rechten sehen. Ich dachte, es könnte nichts passieren. Sie machte nicht den Eindruck, als hätte sie Verdacht geschöpft, und sie war ganz versessen darauf, die Rekonstruktion durchzuführen. Die Situation schien mir – « Angewidert brach er ab. Er laberte dummes Zeug, versuchte, wie ein verdammter Amateur, sich diesem Arschloch gegenüber zu rechtfertigen. »Ich habe einen Fehler gemacht. Ich werde das in Ordnung bringen. «
»Das kann ich Ihnen nur raten. Falls es nicht bereits zu spät ist.
Was ist, wenn sie den Schädel der Polizei übergibt?«
»Ich glaube nicht, dass sie das tun wird, aber ich werde schnell handeln müssen. Meine Leute haben Joe Quinn am Abend ins Haus gehen sehen. Entweder er oder Galen muss sie zur Flucht überredet haben. Aber sie kann nichts Genaues wissen. Wenn sie den Schädel mitgenommen hat, dann will sie wahrscheinlich weiter daran arbeiten. Wir wissen ja beide, wie besessen sie sein kann. Das gibt mir ein bisschen Spielraum. Aber ich brauche Ihre Hilfe.«
»Solange mein Ruf nicht gefährdet ist.«
»Sie wird nicht nach Hause fahren. Wenn sie Verdacht geschöpft hat, wird sie sich verstecken. Ich möchte, dass Sie Ihre Kontakte nutzen, um herauszufinden, wo Galen sie hingebracht haben könnte.
Und zwar schnell.«
»Dies ist ein großes Land.«
Jules hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Können Sie es tun?«
»Nach dem Schlamassel mit Etienne habe ich es durchgehen lassen, dass Sie sich auf Eve Duncan konzentriert haben, aber das wird jetzt zu riskant. Es ist zu gefährlich für uns. Beschaffen Sie den Schädel und räumen Sie Duncan und ihre Helfershelfer aus dem Weg. Und zwar spurlos. Kapiert?«
»Ich habe verstanden. Können Sie sie finden?«
»Ich werde es versuchen.« Er legte auf.
Er würde sich alle Mühe geben, dachte Jules. Melton würde wahrscheinlich versuchen, die Schuld an dem ganzen Schlamassel ihm in die Schuhe zu schieben, aber Melton war für Boca Raton verantwortlich, und er wollte das Problem mit Bently aus der Welt geschafft wissen, bevor ihm unangenehme Fragen gestellt würden.
Das wollte Jules ebenfalls. Aber er verlor allmählich den Überblick. Seit der Nacht, als er genötigt gewesen war, Etienne zu töten, war er dauernd gezwungen zu lügen, zu betrügen und faule Kompromisse einzugehen. Wenn er nicht aufpasste, würde die ganze Sache ihn unter sich begraben.
Nein, das würde er nicht zulassen. Er hatte zu viel geopfert, um sich jetzt unterkriegen zu lassen. Er konnte nicht abwarten, bis Melton Eve Duncan aufgespürt hatte.
Er würde die Sache selbst in die Hand nehmen.
Zehn
Himmel, wann war das Abendessen endlich vorbei!
Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Nathans schlechte Laune hatte sich nach seiner Dusche nicht gebessert. Joe hatte kaum ein Wort gesagt, und seine Präsenz am Tisch ihr gegenüber hatte Eves Gedanken so sehr in Anspruch genommen, dass sie auf Galens Fragen und Kommentare fast nur wie geistesabwesend geantwortet hatte.
Galen schien als Einziger unbeeindruckt von der gespannten Atmosphäre. Er war aufgeladen, vollkommen in seinem Element. Immer wieder lief er in die Küche, um gleich darauf den nächsten Gang des hervorragenden Menüs zu servieren, er gab unterhaltsame Anekdoten zum Besten und genoss es, Joe und Nathan mit Sticheleien zu traktieren.
»Ich bin schwer enttäuscht von Ihnen.« Galen lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, nachdem er allen Kaffee eingeschenkt hatte.
»Wenn ich nicht so gesprächig wäre, würden wir alle hier herumsitzen wie die Ölgötzen. Ihre Vorstellung heute Abend ist wirklich erbärmlich.«
»Wir sind hier nicht im Zirkus, Galen«, sagte Joe. »Und Sie sind kein Zirkusdirektor.«
»Sehr guter Vergleich, Quinn. Offenbar mangelt es Ihnen doch nicht gänzlich an rhetorischen Fähigkeiten.«
»Galen«, sagte Eve.
»Sie versucht offenbar, die Wogen zu glätten.« Galen wandte sich an Joe. »Um wen sie wohl besorgt ist, um mich oder um Sie?
Was meinen Sie?«
»Ich habe allmählich die Schnauze voll.«
»Wie ordinär.«
»Vor dem Essen habe ich ein paar Anrufe gemacht«, sagte Joe zu Eve. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher