Knochenfunde
herbstliche Brise, die vom See her überwehte, ließ sie erschauern.
»Sogar das Wetter hat sich gegen mich verschworen.« Joe zog seine Jacke aus und legte sie über ihre Schultern.
Die Jacke war warm und duftete nach seinem Lieblingsrasier wasser. »Ich will die Jacke nicht.«
»Und ich will dir keinen Vorwand geben, ins Haus zu flüchten.«
Er lehnte sich auf die steinerne Balustrade und schaute zum See hinüber. »Unser See gefällt mir besser. Der hier ist zu… hübsch.«
Sie wusste, was er meinte. Dieses Grundstück hatte nichts von der verwilderten Schönheit des Geländes, auf dem ihr Haus stand.
»Eigentlich wirkt das hier auch nicht wie etwas, das zu Galen passt, aber er meinte – «
»Ich will nicht über Galen reden«, unterbrach er sie. »Ich will über uns und unser gemeinsames Leben reden. Und darin hat Galen nichts verloren.«
»Joe, ich bin noch nicht so weit. Ich kann nicht – «
»Glaubst du, das wüsste ich nicht? Ich wollte dir Zeit lassen. Es hat mich fast umgebracht, aber ich hätte es durchgehalten. Und dann ist alles aus den Fugen geraten. Du bist in Lebensgefahr. Ich kann mich nicht von dir fern halten.« Er holte tief Luft. »Und ich ertrage es nicht zu erleben, wie du jedes Mal zusammenzuckst, wenn ich dich anspreche. Also müssen wir irgendeine Lösung finden.«
»Was für eine Lösung?«
»Du erklärst dich damit einverstanden, dass ich hier bleibe und dich beschütze, mehr verlange ich nicht. Ich werde dich nicht belästigen. Ich werde dich nicht in die Ecke drängen. Ich werde dich nicht daran erinnern, wie verdammt gut wir zusammenpassen.« Dann fügte er mit zusammengebissenen Zähnen hinzu: »Ich werde es sogar hinnehmen, dass du mit Galen schläfst, wenn es das ist, was du willst.«
»Was?«
Er schaute sie durchdringend an. »Du schläfst nicht mit Galen?«
»Bist du verrückt geworden? Nach all den Jahren, die du mich kennst, glaubst du, ich könnte einfach so zu einem anderen Mann ins Bett hüpfen?«
Joe atmete langsam aus. »Ich werde ihm das Genick brechen.«
»Hat er behauptet, ich würde mit ihm ins Bett gehen?«
»Nicht direkt.« Er wechselte das Thema. »Wirst du dich auf meinen Vorschlag einlassen? Wenn das alles ausgestanden ist, werde ich von der Bildfläche verschwinden und dir Gelegenheit geben, über meine Sünden nachzudenken. Da du Jennings um Hilfe gebeten hast, wird es ja nicht mehr so lange dauern. Aber jetzt kann ich dich einfach nicht allein lassen.«
Eve gab ihm keine Antwort.
»Hör mir gut zu.« Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Ich habe das verdient. Du magst mich für einen Mistkerl halten, aber nach all den Jahren und nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben, kannst du mich jetzt nicht ausschließen. Wie würde es dir denn gehen, wenn es umgekehrt wäre? Du liebst mich. Das kannst du nicht einfach nach Belieben abschalten, bloß weil du der Meinung bist, dass ich etwas Unverzeihliches getan habe.«
»Was du getan hast, war schrecklich.« Und hier vor ihm zu stehen und seiner Gegenwart und ihren eigenen, heftigen Gefühlen ausgesetzt zu sein, war auch schrecklich. »Und du machst mich fix und fertig.«
»Gib mir eine Antwort. Wie würde es dir denn gehen, wenn ir gendein verdammter Dreckskerl mir die Kehle aufschlitzen wollte?«
Ein Leben ohne Joe? Nein. Undenkbar. Es würde nur noch Schmerz und Leere geben.
»Siehst du? Und jetzt sag, dass du einverstanden bist. Sei fair.
Lass mich bleiben und dir beistehen.«
Eve schwieg eine Weile, dann nickte sie. »Also gut. Aber es könnte alles noch schlimmer machen.«
»Darauf bin ich gefasst.« Joes Mundwinkel zuckten. »Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, was noch schlimmer sein könnte, als es jetzt ist.« Liebevoll streichelte er ihre Schultern, dann ließ er die Hände sinken. »Weißt du, dass ich dich seit Tagen nicht berührt habe? Das tut weh…« Er drehte sich um. »Aber ich hatte versprochen, darüber nicht zu sprechen. Das verstößt gegen die verfluchten Regeln.« Er verschwand im Haus.
Gott, sie war kurz davor durchzudrehen. Sie spürte immer noch das Gewicht seiner Hände auf ihren Schultern. Sein Duft lag noch in der Luft, sie spürte die Wärme seiner Jacke, seine Stimme klang noch in ihren Ohren nach, und seine Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf.
Wie würde es dir gehen, wenn es umgekehrt wäre?
Das war die Frage, die jede Mauer durchbrechen würde, die sie um sich herum errichten konnte. Sie erinnerte sich, wie verzweifelt
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