Knochenfunde
sie gewesen war, als Joe vor ein paar Jahren eine beinahe tödliche Kugel getroffen hatte. Seitdem waren sie einander noch tiefer verbunden. Nicht daran denken. Am besten, sie versuchte, in seiner Gegenwart wie ein Automat zu funktionieren. Sie hatte nachgegeben, weil ihr klar geworden war, dass sie ihn unfair behandelte, aber jetzt über Joe und ihr gemeinsames Leben nachzugrübeln wäre der reine Masochismus.
Sie nahm Joes Jacke ab. Kälte und Einsamkeit umfingen sie. Es war nur eine Jacke, verdammt. Sie brachte sie ins Esszimmer und legte sie über einen Stuhl. Er konnte sie sich später holen. Im Moment konnte sie ihm nicht gegenübertreten. Er hatte versprochen, sie nicht zu belästigen, aber allein die Tatsache, dass er sich im selben Haus aufhielt, irritierte sie. Sie würde in ihr Zimmer gehen und sich ins Bett legen. Sehnsüchtig schaute sie im Vorbeigehen auf die Tür zur Spülküche. Sie war zu aufgewühlt, um schlafen zu können.
Wenn sie an Victor arbeiten könnte, würde sie das ablenken und erleichtern. Sie könnte den Schädel auspacken und…
Nein, sie musste der Versuchung widerstehen. Ihr Entschluss stand fest. Morgen würde dieser FBI-Mann kommen, und dann wäre alles vorbei.
»Danke, dass Sie mich empfangen.« Bart Jennings lächelte Eve an. »Logan sagte, Ihre Einstellung Behörden gegenüber sei nicht gerade herzlich.« Er verzog das Gesicht. »Ich bin auch nicht gerade ein Freund von Bürokratie.«
»Ein Mann mit Urteilsvermögen«, murmelte Galen. »Ich glaube, er ist mir sympathisch, Eve.«
Sie wusste, was er meinte. Seit Jennings das Haus betreten hatte, war sie von ihm beeindruckt. Er war etwa Mitte vierzig und hatte grau meliertes, etwas schwer zu bändigendes Haar. Er war offen und direkt. »Hat Logan Ihnen gesagt, dass wir Senator Melton aus der Sache heraushalten wollen?«
»Damit habe ich kein Problem. Der Senator hat ein paar gute Kontakte in Washington, aber während meiner Jahre beim FBI habe ich eine Menge mächtige Männer kommen und gehen sehen. Von jetzt an bleibt er außen vor.«
»Wirklich?« Joe sah Jennings eindringlich an. »Das klingt ja sehr bestimmt.«
»Sagen wir mal, ich traue ihm nicht. Er könnte ein Handlanger sein, er könnte aber auch genauso gut bis zum Hals in der Sache drinstecken. In jedem Fall müssen wir vorsichtig sein.«
»Sie halten diese Verschwörungstheorie für realistisch?«
»Solange ich keinen Beweis für das Gegenteil habe, kann ich sie nicht außer Acht lassen.« Jennings überlegte. »Ich habe Hinweise bekommen, die dafür sprechen, dass an der Geschichte etwas dran ist. Einiges davon ist schwer zu glauben, aber selbst wenn nur ein Bruchteil von dem, was mir zu Ohren gekommen ist, stimmt, haben wir es mit verdammt gefährlichen Leuten zu tun. Sie sagten, dieser Etienne hat von einer großen Sache in Boca Raton gesprochen?«
Eve nickte. »Anfangs glaubte er, es handle sich um eine Ver sammlung des Cabal, aber es fand damals keine Veranstaltung statt, die den Mitgliedern einen Vorwand hätte liefern können, sich dort aufzuhalten. Es muss also etwas anderes sein.«
»Ich brauche den Namen Ihres Informanten.«
Joe schüttelte den Kopf. »Ich sagte Ihnen ja bereits, ich habe versprochen, die Sache vertraulich zu behandeln.«
»Sie machen es mir schwer.« Jennings wandte sich an Eve. »Wie lange würden Sie brauchen, um die Rekonstruktion zu vollenden?«
»Drei, vier Tage.« Sie straffte die Schultern. »Aber ich werde nicht weiter daran arbeiten. Deswegen sind Sie hier. Ich werde Ihnen den Schädel übergeben. Ich will nichts mehr damit zu tun haben.«
Er nickte mitfühlend. »Das kann ich gut verstehen. Mir würde es ebenso gehen wie Ihnen. Und wenn ich Sie wäre, würde ich die Bitte, die ich an Sie habe, glattweg ablehnen. Aber ich muss es dennoch versuchen: Bitte, geben Sie uns diese vier Tage. Beenden Sie die Rekonstruktion.«
»Sie wird den Teufel tun«, sagte Joe.
»Unmöglich«, sagte Eve.
»Hören Sie zu. Offenbar wollen Hebert und Melton unter allen Umständen erreichen, dass dieses Gesicht rekonstruiert wird. Dafür müssen sie einen Grund haben. Welchen?«
»Bently?«
»Aber warum müssen sie sich vergewissern, dass er tot ist? Und was hat das mit den Vorgängen in Boca Raton zu tun?« Er schaute einen nach dem anderen an. »Auch wir müssen es wissen. Wir haben nach Bentlys Verschwinden die Ermittlungen durchgeführt und ein paar interessante Dinge in Erfahrung gebracht. Bently hat einige geheime Geschäfte
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