Knochenfunde
einen Voodoopriester anheuern, der ihn verflucht.« Sie holte tief Luft. »Ist es das, was Sie hören wollten?«
»Ja.« Nathan lächelte. »Ich wollte Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber jetzt fühle ich mich wesentlich besser. Sie kamen mir einfach ein bisschen allzu edel vor.«
»Edel? Unsinn. Ich hatte als Kind kein richtiges Zuhause, deswegen habe ich wohl so eine Art fixe Idee entwickelt. Ich finde, jeder Mensch sollte ein Zuhause haben, selbst im Tod. Vielleicht auch erst recht im Tod, wenn der Mensch im Leben sehr gelitten hat. Wenn ich jemanden nach Hause bringe, gibt das seinem Leben im Nachhi-nein einen Sinn, es zeigt der Welt, dass dieser Mensch kein Abfall war, dass er einen Wert hatte. Verstehen Sie, was ich meine?«
Er nickte langsam. »Es ist wichtig, dass man seinen Wert er-
kennt. Wir müssen uns alle darüber klar sein, was uns wichtig ist.«
»Was ist Ihnen wichtig?«
»Meine Kinder, meine Arbeit.«
»Wie alt sind Ihre Kinder?«
»Henry ist zwölf und Carolyn ist sieben. Wunderbare Kinder.« Er verzog das Gesicht. »Ich wünschte, ich könnte von mir behaupten, ein wunderbarer Vater zu sein. Ich habe meine Kinder seit über vier Monaten nicht gesehen.«
»Warum nicht?«
»Ich bin geschieden, und meine Frau hat das Sorgerecht. Es war die richtige Entscheidung. Ich bin freier Journalist und habe mich auf Umweltthemen spezialisiert, bin also ständig im ganzen Land unterwegs. Ich konnte ihnen kein stabiles Zuhause bieten. Meine Exfrau lässt mich die Kinder sehen, so oft ich kann. Sie ist eine nette Frau.
Sie hat die Zumutungen, die mein Job mit sich bringt, erstaunlich lange ausgehalten, bevor sie die Flucht ergriffen hat.« Er schürzte die Lippen. »Irgendwie bin ich Ihnen ähnlich. Ich bin auch von meiner Arbeit besessen. Ich wünschte allerdings, ich hätte meine Frau und meine Kinder zum Wichtigsten in meinem Leben gemacht. Wissen Sie, wir Journalisten haben einen schlechten Ruf. Aber häufig sind wir diejenigen, die die Öffentlichkeit vor den Bösewichtern schützen.«
»Meine Erfahrungen mit Ihren Kollegen waren nicht unbedingt
positiv, aber ich kenne einige Journalisten, die ich respektiere.«
Plötzlich fiel Eve etwas ein. »Und was ich eben gesagt habe, bleibt unter uns. Ich kann es überhaupt nicht leiden, von der Presse zitiert zu werden.«
»Keine Sorge, ich werde es für mich behalten. Ich verspreche es.«
Sie glaubte ihm. »Danke.«
»Danke, dass Sie mir erlaubt haben, Ihnen Gesellschaft zu leisten.« Er schaute sie an. »Was den Cabal angeht, scheinen Sie ja alle äußerst skeptisch zu sein.«
»Jennings scheint die Sache ernst zu nehmen.«
»Aber Sie nicht.«
»Ich halte es für möglich, dass eine solche Organisation existiert.«
»Es ist nicht nur möglich, es ist eine Tatsache. Etienne hat mir die Wahrheit gesagt. Da bin ich mir ganz sicher. Jedes Mal, wenn ich heutzutage von einem neuen Krisenherd wie Bosnien zum Beispiel höre, frage ich mich automatisch, ob der Cabal mal wieder einen Krieg benutzt, um seine Interessen durchzusetzen.«
»Also das kann ich mir kaum vorstellen. Einen Krieg anzuzetteln ist etwas ganz anderes als die Wirtschaft zu manipulieren.«
»Kriege sind Instrumente der Wirtschaftspolitik. Hinter allem Patriotismus und Idealismus verbirgt sich immer das große Geld.
Krieg macht mir Angst. Der Cabal macht mir Angst.« Grimmig
presste er die Lippen zusammen. »Und nicht zu wissen, was in Boca Raton ausgebrütet wird, macht mir am meisten Angst. Es muss etwas ziemlich Schlimmes sein, um Etienne einen derartigen Schrecken einzujagen, dass er sich an mich gewandt hat.«
Er glaubte, was er sagte, und allmählich begann auch Eve es zu glauben. Und das löste dieselbe Unruhe in ihr aus, die Nathan umzu-treiben schien. Gott, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Instinktiv schob sie den Gedanken beiseite und konzentrierte ihren Blick auf den Schädel vor ihr. »Vielleicht hat Etienne die Wahrheit gesagt.
Vielleicht stimmt alles, was er über den Cabal berichtet hat. Aber sich mit dem Cabal auseinander zu setzen ist Aufgabe des FBI. Meine ist es, Victor zu rekonstruieren. Ich weiß, dass Hebert irgendwo da draußen rumläuft und Menschen ermordet und dass Melton wahrscheinlich bis zum Hals in der Sache drinsteckt. Mehr brauche ich im Moment nicht zu wissen.«
»Es muss etwas Tröstliches haben, sich so konzentrieren zu können.« Nathan stand auf und streckte sich. »Gott, bin ich steif. Ich glaube, ich werde alt. Vielleicht sollte ich mal in
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