Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
sah.
Und der einzige, den er je mitten auf einer Straße gesehen hatte.
Er war auch nicht allein, wie er plötzlich bemerkte.
Weitere Schatten tauchten langsam über dem Rand des dichtbewachsenen Berghangs auf. Tief geduckt schlichen sie dicht am Boden auf Zehenspitzen entlang, mit dem für Zehengänger und ihre Spezies charakteristischen Gang.
Carter blieb stehen. Instinktiv wurde sein Griff, mit dem er Joey hielt, fester.
Ein Tier aus dem Rudel lief im leichten Galopp auf Carters Vorgarten zu.
Die Schüssel. Mit dem Wasser. Sie waren auf der Suche nach Wasser. In Utah hatte Carter einmal einen Kojoten beobachtet, der eine zweieinhalb Meter hohe Mauer hochsprang, um an einen Rindertrog zu gelangen.
Er hatte auch beobachtet, wie ein Tier ein Lamm mit einem einzigen schonungslosen Biss in die Kehle gerissen hatte.
Rasch überblickte er die Gegend. Das nächste Haus zu seiner Linken war dunkel, und der niedrige Vorgartenzaun würde absolut keinen Schutz bieten.
Rechts von ihm war nur der Tennisplatz. Doch er war von einem hohen Maschendrahtzaun umgeben, hoch genug, um selbst einen Kojoten fernzuhalten.
Langsam ging Carter nach rechts, die glühende Zigarre immer noch zwischen den verkrampften Lippen.
Der erste Kojote beobachtete ihn immer noch. Normalerweise fürchteten sich Kojoten vor Menschen und flüchteten vor ihnen in ihr Versteck, doch soweit Carter es einschätzen konnte, hatten sich diese hier an Menschen gewöhnt. Oder sie waren mutig geworden. Vielleicht hatte die Dürre sie gezwungen, ein paar neue Überlebensstrategien auszuprobieren.
Zentimeter um Zentimeter schob er sich an den Bordstein heran und auf den Tennisplatz zu, ohne den Blick von den Tieren abzuwenden. Der beobachtende Kojote machte einen Schritt in seine Richtung. Kojoten waren großartige Jäger und Meister im Anpirschen. Sie verfolgten und jagten ihre Beute, bis das arme Tier erschöpft aufgab. Dann stürzte sich das Rudel auf sie.
Carter streckte eine Hand nach dem Tor des Tennisplatzes aus und versuchte, den Riegel hochzuschieben. Aus irgendeinem Grund bewegte er sich nicht. Er versuchte es erneut. Dann wandte er einen Moment den Blick von dem Kojoten ab und schaute auf den Riegel. Er war mit einem Vorhängeschloss gesichert.
Die Tennisplätze wurden bei Einbruch der Dämmerung abgeschlossen, damit nicht irgendwelche Hardcore-Spieler ihre Nachbarn die ganze Nacht wach hielten.
Der Kojote, der auf seinen Rasen gesprungen war, kehrte wieder zurück und leckte sich die Lefzen. Zwei weitere folgten ihm. Auch sie nahmen Witterung auf und sahen Carter auf der Straße.
Langsam schwärmten sie aus und kamen näher. Carter flößte ihnen vermutlich Respekt ein, aber dem Geruch und dem Anblick eines Babys würden sie nicht widerstehen können. Carter stellte fest, dass ihre Ruten waagerecht vom Körper abstanden – ein klares Zeichen von Angriffslust.
Er könnte versuchen, wegzulaufen, aber er würde es nie durch ihre Mitte zu seiner eigenen Tür schaffen. Und womöglich würde er sie damit nur zu einem Angriff ermuntern.
Verzweifelt hielt er nach einer der nächtlichen Wachschutzpatrouillen Ausschau. Doch da kam niemand.
Angst ist dein Freund, dachte er plötzlich. Lerne von ihm.
Aber was? Was sollte er lernen?
Feuer. Feuer war ebenfalls sein Freund.
Und der Feind der Kojoten.
Nervös blickte er sich um. Ein paar Schritte entfernt stand ein Busch mit kahlen, vertrockneten Zweigen. Er ging darauf zu und paffte dabei wie verrückt an der Zigarre. Als die Spitze heiß und hell glühte, nahm Carter sie aus dem Mund und hielt sie an ein trockenes Blatt. Es entflammte, und schon raste die Flamme die dürren Zweige entlang.
Carter griff tief unten in den Busch und riss den lodernden Ast ab. Er würde nicht lange brennen, also musste er sich beeilen.
Er hielt den Ast vor sich, wedelte damit herum, so dass der Rauch auf die Kojoten zu zog, und ging die Straße hinunter auf die Tiere zu. Noch rührten sie sich nicht vom Fleck. Carter ging weiter auf das Tier zu, das er für den Anführer des Rudels hielt, eine zottelige graue Bestie mit funkelnden Augen und aufgerichteten Ohren. Der Ast in seiner Hand knackte und knisterte, doch die Flamme kam seinen Fingerspitzen bereits gefährlich nahe. Er würde ihn nur noch ein paar Sekunden festhalten können.
Joey drehte den Kopf und sah die Kojoten an, doch er wusste nicht genug, um sich zu fürchten.
Der graue Kojote bleckte die Zähne und knurrte leise. Die anderen kamen näher, die
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