Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
und die Bestie stieß zum Zeichen der Wut ein kehliges Schnauben aus. Heute war sie dieses Spiels schnell müde.
Die lange Zunge schoss heraus und schnippte Rafiks Knöchel an, die Reißzähne schnappten ins Leere.
Rafik klammerte sich an die Baumspitze.
»Bitte!«, schrie er. »Ich habe Ihnen alles erzählt, was ich weiß!«
»Ich glaube dir«, sagte al-Kalli, »ich glaube dir, dass du die Wahrheit gesagt hast.«
Dann wartete er. Das Ungeheuer streckte sich auf den kräftigen Gliedmaßen einen weiteren halben Meter am Baumstamm empor, weit genug, dass es einen von Rafiks Füßen mit dem Maul erwischte. Und ihn, der vor Entsetzen kreischte, auf den Boden zerrte. Er landete im Dreck und schaffte es, sich zu befreien, blutend und zerfetzt. Wie von Sinnen rannte er in einem weiten Kreis, und als er sich der Höhle bis auf wenige Meter näherte, sprang die Bestie unvermittelt auf ihn, mit der Kraft eines Löwen und den gespreizten Beinen einer Eidechse. Rafik wurde unter der gewaltigen Masse zerdrückt, und ehe er noch einmal schreien konnte, hatte das Ungeheuer die Reißzähne schon in seine Kehle gegraben.
Al-Kalli seufzte. Was jetzt folgte, war weniger interessant.
Rafik strampelte mit den Beinen, seine Fersen bohrten sich in den Sand.
Das Ungeheuer schüttelte ihn, als wäre er ein Spielzeug, und bohrte seine gewaltigen Zähne noch tiefer in den Hals. Die Beine hörten auf zu zappeln, die Füße fielen schlaff zur Seite.
»Hast du alles?«, fragte al-Kalli über die Schulter.
»Ja«, sagte Jakob. »Ich werde die Information heute Nacht noch an unsere Leute weiterleiten.«
Gut. Es dürfte nicht weiter schwer sein, die Freundin zu finden. Und von dort aus …
Während al-Kalli zusah, zerrte die Bestie den Leichnam an der Kehle zu ihrem Schlupfwinkel. Sie zog es vor, ungestört zu speisen. Sie kletterte auf den Felsvorsprung, ohne die erschlaffte Beute auch nur einen Moment loszulassen, zuckte noch einmal mit dem dicken Schwanz und verschwand schließlich in der Höhle.
Al-Kalli war glücklich, dass sein Schatz wieder ganz der Alte zu sein schien.
17. Kapitel
»Ich habe die Polizei gebeten, sie hundert Meter zurückzudrängen, aber sie sagen, das könnten sie nicht tun.« Gunderson kochte. Wütend starrte er aus dem Fenster auf die Demonstranten, die auf dem Wilshire Boulevard sangen und ihre Trommeln schlugen.
»Die Straße ist öffentlicher Grund und Boden«, sagte Carter.
»Aber nicht der Gehweg vor dem gottverdammten Museum!«
Als Carter Gundersons Blick folgte, sah er einen Übertragungswagen des Fernsehens draußen bremsen. Ohne Zweifel würde es heute eine weitere Story in den Abendnachrichten geben, über den tragischen Tod des nicht identifizierten Opfers, den Journalisten bereits den »Mystery Man« getauft hatten. Eines Native American, der durch die Entweihung der sterblichen Überreste seines Vorfahren zur Gewalt getrieben wurde. Seit dem Unfall berichteten die lokalen Medien zur besten Sendezeit darüber und verfolgten die bislang erfolglose Suche nach der Leiche des Mannes, während Fernsehmoderatoren über die Vor- und Nachteile von Anthropologie diskutierten. Ein einfältiger Kommentator hatte gar philosophiert: »Wo hört die Wissenschaft auf und wo beginnt der Respekt vor den Toten?«
Carter konnte dieses Geschwafel nicht mehr hören. Er grub Knochen aus, keine Menschen. Das waren Fossilien, keine Seelen oder Geister oder geweihten Gefäße. Er war nicht wirklich gläubig, aber falls sie jemals irgendwelche unsterblichen Elemente besessen hatten, dann waren diese längst verschwunden, in die Luft, in den Äther. Nichts war toter als versteinerte Knochen.
»Wir haben noch eine Interviewanfrage«, sagte Gunderson und wandte sich abrupt vom Fenster ab, als könnte er es keine Sekunde länger ertragen, dieses Spektakel mit ansehen zu müssen. » The Vorhaus Report .« Eine als seriös geltende Sendung im Kabelfernsehen, so seriös, dass fast niemand sie anschaute. »Ich habe gesagt, dass Sie es machen.«
»Sie haben was gesagt?«, platzte Carter heraus.
»Ich sagte«, erklärte Gunderson kühl, »dass der Leiter unserer paläontologischen Forschungsabteilung, jener Mann, der nicht nur die Überreste des La-Brea-Mannes entdeckt hat, sondern auch in der Pit 91 war, als der unglückliche Mitbürger in die Grube fiel und starb – dass dieser Mann glücklich sei, das Museum und unsere Interessen zu vertreten.«
»Warum haben Sie das getan?«, sagte Carter. Seit Tagen schon wich er
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